Verfahrensgang

LG Amberg (Aktenzeichen 12 O 11/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 21.12.2021, Az. 12 O 11/21, teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 5.005,76 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.10.2019 zu zahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 49 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 51 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 42 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 58 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.576,29 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, soweit sie sich gegen die Beurteilung der Haftungsquote durch das Landgericht richtet, im Übrigen ist sie unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gemäß §§ 7, 18 StVG i.V.m. §§ 115 Abs. 1 Satz 1, 4 VVG, § 1 PflVG in Höhe von 5.005,76 EUR.

1. Das Landgericht hat unzutreffend eine Mithaftungsquote von 30 % zu Lasten des Klägers angenommen. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten führt zur vollen Haftung der Beklagten. Ein Verschulden der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs (der Zeugin H.) liegt nicht vor. Kann dem Überholer bei Kollision mit dem vorausfahrenden Linksabbieger kein Verschulden nachgewiesen werden, tritt die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs gegenüber dem Verschulden des Linksabbiegers regelmäßig zurück (KG Berlin, Urteil vom 15.08.2005 - 12 U 41/05 -, juris Rn. 9; OLG Nürnberg, Urteil vom 25.10.2002 - 6 U 2114/02 -, juris Rn. 13; OLG Frankfurt, Urteil vom 05.05.1999 - 23 U 106/98 -, juris). Gründe für die Annahme einer von dieser Regel abweichenden Haftungsquote liegen hier nicht vor.

Es kann dahinstehen, ob der Unfall für die Zeugin H. als Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs unvermeidbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war. Eine Haftungsbeteiligung seitens des Klägers aufgrund der zu berücksichtigenden einfachen Betriebsgefahr seines Fahrzeugs tritt hinter das erhebliche Verschulden der Beklagten zu 2 zurück.

Im Einzelnen:

a) Das Gesetz macht in § 17 StVG die Schadensersatzpflicht im Verhältnis der Beteiligten zueinander davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass in die Abwägung nur diejenigen Tatbeiträge eingebracht werden dürfen, die sich tatsächlich auf die Schädigung ausgewirkt haben. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen also feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94 -, Rn. 11, juris). Bei der danach vorzunehmenden Abwägung sind auch die unterschiedlichen Verschuldensgrade zu berücksichtigen. Ein besonders schweres Verschulden, das im Allgemeinen mit dem Begriff der groben Fahrlässigkeit zusammengefasst wird, kann sogar zum völligen Zurücktreten der Haftung des anderen Teils führen (BGH, Urteil vom 23.01.1996 - VI ZR 291/94 -, Rn. 26, juris, m.w.N.). Grob fahrlässig verhält sich, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Das ist im Straßenverkehr im Allgemeinen dann der Fall, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer grob verkehrswidrig verhält. Ob ein Fehlverhalten im Straßenverkehr als grob anzusehen ist, beurteilt sich nach den am Tatort geltenden Verkehrsnormen, denn diese liefern nicht nur die in der jeweiligen Verkehrssituation maßgebenden Verhaltensgebote, sondern - weil untrennbar damit verbunden - auch den Sorgfaltsmaßstab, an dem das Verschulden eines Verkehrsteilnehmers im Falle seines Versagens zu messen ist (BGH, ebenda, Rn. 27, juris).

b) Das Landgericht hat in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil ausgeführt, die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs habe sich nicht auf das künftige Verhalten der Beklagten zu 2 verlassen dürfen (gemeint ist offenbar das durch das Betätigen des rechten Blinklichts angekündigte Abbiegen nach rechts), da es sich für sie um eine unklare Verkehrslage gehandelt habe. Das Landgericht nimmt eine unklare Verkehrslage an, weil die Beklagte zu 2 langsam gefahren sei und den Eindruck vermittelt habe, sie wissen nicht, wohin sie will. Außerdem sei die Stelle zum Abbiegen (nach rechts) ungewöhnlich gewesen. Die Zeugin H. habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte zu 2 die Fahr...

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