Leitsatz (amtlich)

Das sogenannte Hauskind, das nach § 1619 BGB, weil es dem elterlichen Haushalt noch angehört und von den Eltern erzogen und/oder unterhalten wird, verpflichtet wäre, den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten, diese Dienstleistung jedoch aufgrund eines zum Schadensersatz verpflichtenden ärztlichen Behandlungsfehlers nicht oder nur eingeschränkt erbringen kann, erleidet hierdurch keinen Vermögensschaden. Es steht ihm somit deswegen kein eigener Anspruch gem. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu.

 

Normenkette

BGB § 843 Abs. 1 Alt. 1, § 1619

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 11 O 6775/20)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 01.07.2021, Az. 11 O 6775/20, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil sowie das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 01.07.2021 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 61.123,35 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger, der bereits ein rechtskräftiges Feststellungsurteil gegen die Beklagten erwirkt hat, nimmt diese im Folgeprozess auf Zahlung in Anspruch.

Der Kläger, geboren 2005, litt unter "orthopädischen Problemen" (so das Urteil im Vorprozess) und wurde aus diesem Grund schon seit seiner Geburt in der Klinik für Kinder-, Jugend- und Neuro-Orthopädie des Krankenhauses R. ärztlich betreut. Aufgrund einer Untersuchung vom 17.02.2015 wurde den Eltern des Klägers ein operativer Eingriff in Form einer Verlängerung der Wadenmuskulatur empfohlen, um insbesondere eine teilkontrakte Spitz-Knick-Platt-Fußfehlstellung beidseits ohne Osteotomie zu verbessern. Der vorgeschlagene Eingriff wurde am 22.05.2015 durch die nunmehrigen Beklagten zu 2) und zu 3) im Klinikum der Beklagten zu 1) durchgeführt; dabei kam es beidseits zu hochgradigen Läsionen des nervus ischiadicus. Nachbehandlungen konnten die Folgen dieser Nervschädigungen nicht mehr beseitigen. Der Kläger ist infolgedessen in erheblichem Umfang gehbehindert; auch das Treppensteigen ist stark erschwert. Mit rechtskräftigem Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.03.2019 (11 O 7865/16) sind die Beklagten des hiesigen Verfahrens gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt worden; darüber hinaus hat das Landgericht mit diesem Urteil festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbare immaterielle sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung vom Mai 2015 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Der Kläger fordert nun Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sei, dass er verletzungsbedingt im Haushalt und im landwirtschaftlichen Nebenbetrieb seiner Eltern, bei denen er bis heute wohnt, nur noch eingeschränkt Hilfe leisten könne. Das Ausmaß dieser Einschränkung betrage einem Gutachten der Privatsachverständigen W. zufolge 63 %. Entsprechend der für die (fiktive) Beschäftigung einer entsprechenden Hilfskraft aufzuwendenden Entlohnung betrage der Schaden des Klägers, dessen Ersatz ihm selbst nach § 843 Abs. 1 BGB zustehe, monatlich 535,00 EUR. Dieser Anspruch bestehe seit der behandlungsfehlerbedingten Verletzung, somit ab dem 01.06.2015, auf Lebenszeit des Klägers.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten; sie meinen, der Kläger sei für die Geltendmachung eines sog. Haushaltsführungsschadens schon nicht aktiv legitimiert. Soweit eine Dienstverpflichtung des im väterlichen Haushalt wohnenden Klägers bestehe und der Kläger aufgrund seiner verletzungsbedingten Einschränkungen dieser Dienstverpflichtung nicht in vollem Umfang nachkommen könne, begründe dies allenfalls einen Schadensersatzanspruch der Eltern des Klägers. Einem Anspruch des Klägers selbst stehe schon entgegen, dass er zum Zeitpunkt der Verletzung altersbedingt noch nicht zur Leistung von Diensten im Haushalt verpflichtet gewesen sei; eine solche Verpflichtung werde von der Rechtsprechung frühestens ab dem 12. Lebensjahr angenommen. Bestritten werde, dass der Kläger vor der Verletzung bereits im Haushalt der Eltern geholfen habe.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 01.07.2021 verwiesen.

Mit diesem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, grundsätzlich ...

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