Entscheidungsstichwort (Thema)
Bankenhaftung bei Kapitalanlage: Unterlassene Aufklärung über Rückvergütungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bank ist aus einem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über eine von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 3.6.2014 - XI ZR 147/12).
2. Auch die Mitteilung der Höhe der Rückvergütung gehört zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 19.12.2009 - XI ZR 56/05).
3. Jedenfalls für die Zeit nach 1984 kann sich eine anlageberatende Bank hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2014 - XI ZR 418/13).
4. Auch bei pflichtwidrig nicht offengelegten Rückvergütungen gilt die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR 586/07).
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 27.04.2012; Aktenzeichen 10 O 10486/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 27.4.2012 - 10 O 10486/10, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.297,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.6.2011 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung der Beteiligung des Klägers i.H.v. 30.000 EUR an der E. GmbH & Co KG.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 96 % und die Beklagte 4 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren bis 26.9.2014 auf 986.589,78 EUR, von da an bis zur teilweisen Berufungsrücknahme in der mündlichen Verhandlung am 22.12.2014 auf 899.124,31 EUR und danach auf 34.161 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangte von der Beklagten in erster Instanz zuletzt im Wege der Stufenklage Aufklärung über versteckte Innenprovisionen und Rückvergütungen für diverse Anlageprodukte, hilfsweise Schadenersatz.
Am 10.7.2007 zeichnete der Kläger eine Beteiligung an der E. GmbH & Co KG zum Preis von 30.000 EUR zzgl. Agio i.H.v. 3 %. Der Zeichnung war ein Gespräch zwischen dem Kläger und einem Mitarbeiter der Beklagten in den Geschäftsräumen der Beklagten vorausgegangen.
Der Kläger hat behauptet, der Ausgabeaufschlag von 3 % sei an die Beklagte zurückgeflossen, worüber er nicht aufgeklärt worden sei. Die Beklagte sei als Vertriebsbeauftragte und damit als Anlageberaterin aufgetreten. Die an die Beklagte geflossene Rückvergütung sei im Prospekt nicht zutreffend ausgewiesen worden.
Die Beklagte hat die Rückflüsse bestritten. Es habe auch keine Beratung durch die Beklagte stattgefunden. Die Informationsveranstaltung, an der der Kläger teilgenommen habe, sei von der F. organisiert worden. Kurz danach habe der Kläger den Reservierungsschein übersandt. Bei einem Aufklärungsgespräch am 22.5.2007 habe die Beklagte nur als Erfüllungsgehilfin für die F. gehandelt.
Das LG wies die Klage insgesamt ab. Die Stufenklage sei bereits in der ersten Stufe abzuweisen, weil ein Herausgabeanspruch des Klägers im Hinblick auf die erlangten Vergütungen der Beklagten nicht bestehe. Sie sei zudem unzulässig, soweit der Kläger die Auskunft zur besseren Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen begehre. Für die Höhe des Schadenersatzbegehrens benötige der Kläger die Auskunft nicht. Die Hilfsanträge auf Schadenersatz seien zulässig, jedoch unbegründet. Eine mögliche Verletzung des Beratungsvertrags sei für den Erwerb der Anteile an der E. nicht kausal geworden. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei erschüttert, weil der Kläger bei einer früheren Anlage (G.) die Rückvergütung bewusst in Kauf genommen habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz, des Verfahrensgangs und des Urteilsinhalts wird Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Es sei fehlerhaft, wenn das LG die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hinsichtlich der Beteiligung an der E. als widerlegt ansehe. Die vermuteten Kenntnisse aus dem Anlagegeschäft G. ließen keine Schlussfolgerung auf die anderen Fonds zu.
Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zunächst seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 26.9.2014 hat er die teilweise Klagerücknahme hinsichtlich der Stufenklage erklärt; den ursprünglichen Hilfsantrag auf Schadenersatz i.H.v. 610.905,76 EUR Zug-um-Zug gegen Übereignung diverser Anlagen sowie die weiteren Hilfsanträge hielt er - nunmehr als Hauptantrag - aufrecht. Die Beklagte hat der teilweisen Rücknahme zugestimmt. In der mündlichen Verhandlung am 22.12.2014 hat d...