Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Insolvenzverwalter sowohl auf Leistung aus der Insolvenzmasse als auch persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen, so besteht im Hinblick auf die von ihm repräsentierten unterschiedlichen Vermögensmassen (Insolvenzmasse und Privatvermögen) eine (einfache) Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite.
2. Verwertungserlös i.S.d. § 170 InsO ist nur der tatsächlich zur Insolvenzmasse gelangte Betrag, nicht auch etwaige aus dem Verwertungsgeschäft resultierende weiter gehende Forderungen, die sich als nicht realisierbar erweisen.
3. Schaltet der Insolvenzverwalter zur Verwertung einen Dritten ein, so ist Verwertungserlös i.S.d. § 170 InsO der diesem Dritten aus dem Verwertungsgeschäft tatsächlich zugeflossene Betrag, auch wenn der Dritte im Hinblick auf ihm entstandene Kosten diesen Betrag nur teilweise an die Insolvenzmasse weiterleitet. Durch die Einschaltung des Dritten angefallene Kosten sind Verwertungskosten i.S.d. § 171 Abs. 2 InsO.
4. Der gem. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO vom Verwertungserlös abzusetzende Umsatzsteuerbetrag bemisst sich nach dem dem Insolvenzverwalter tatsächlich zugeflossenen Verwertungserlös, nicht nach einer etwaigen höheren Erlösforderung aus dem Verwertungsgeschäft. Unerheblich ist, ob umsatzsteuerrechtlich eine weiter gehende Steuerschuld des Insolvenzverwalters besteht.
5. Pauschal abzusetzende Kosten der Feststellung (§ 171 Abs. 1 Satz 2 InsO) sowie der Verwertung (§ 171 Abs. 2 Satz 1 InsO) bemessen sich nach dem Brutto-Verwertungserlös einschließlich Umsatzsteuer.
6. Auch rechtlich nicht geschuldete Kosten können für die Verwertung erforderlich i.S.d. § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO sein, wenn ihre Verauslagung durch den Insolvenzverwalter für das Verwertungsgeschäft wirtschaftlich vernünftig ist. Insoweit kann auf die im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelten Grundsätze des § 683 BGB zurückgegriffen werden.
7. Zur persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz wegen behaupteter Fehler bei der Verwertung von Absonderungsgut.
Normenkette
ZPO §§ 59-60; InsO § 60 Abs. 1, § 166 Abs. 1, § 170 Abs. 1, § 171
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 15.06.2012; Aktenzeichen 10 O 7331/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 15.6.2012 (Az. 10 O 7331/10), berichtigt mit Beschluss vom 13.8.2012, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 104.204,87 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 11.8.2010 zu zahlen. Die weiter gehende Klage gegen den Beklagten zu 1) und die Klage gegen den Beklagten zu 2) werden abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 15.6.2012 (Az. 10 O 7331/10), berichtigt mit Beschluss vom 13.8.2012, wird zurückgewiesen.
III. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 37 % und der Beklagte zu 1) zu 63 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz trägt der Beklagte zu 1) zu 63 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) erster Instanz trägt die Klägerin zu 37 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) erster Instanz trägt die Klägerin zu 100 %. Die Auslagen der Streithelferin erster Instanz trägt die Klägerin zu 37 %. Im Übrigen tragen die Parteien und die Streithelferin die ihnen erstinstanzlich entstandenen Kosten selbst.
IV. Die Gerichtskosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 27 % und der Beklagte zu 1) zu 73 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zweiter Instanz trägt der Beklagte zu 1) zu 73 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) erster Instanz trägt die Klägerin zu 27 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 100 %. Die Auslagen der Streithelferin zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 27 %. Im Übrigen tragen die Parteien und die Streithelferin die ihnen zweitinstanzlich entstandenen Kosten selbst.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 15.6.2012 (Az. 10 O 7331/10), berichtigt mit Beschluss vom 13.8.2012, ist, soweit es aufrechterhalten bleibt, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird
- im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1) auf 142.023 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 2) auf 43.948,06 EUR,
sowie insgesamt auf 142.023 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin macht als absonderungsberechtigte Gläubigerin Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH auf Befriedigung aus durch die Verwertung des Sicherungsgutes erlangten Erlösen gelte...