Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Versicherungsnehmer die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen, die aus einer etwaigen Unwirksamkeit eines nach dem Policenmodell (§ 5a Abs. 1 VVG a.F.) geschlossenen Versicherungsvertrags resultieren, wegen widersprüchlichen Verhaltens (Verwirkung, § 242 BGB) zu versagen ist, kommt es nicht allein auf die Dauer der Prämienzahlungen bis zu einer etwaigen Kündigung des Versicherungsvertrags (hier: 2 Jahre 4 Monate), sondern auf die gesamte Zeitspanne zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrags und der Geltendmachung der Ansprüche (etwa durch Erklärung eines Widerspruchs) an (hier: 6 Jahre).

2. Dabei spricht es regelmäßig für die Annahme einer Verwirkung, wenn der Versicherungsnehmer mit der Geltendmachung der Ansprüche mehrere Jahre zuwartet, obwohl ihm nach vorangegangener Kündigung des Versicherungsvertrags kein Rückkaufswert ausbezahlt wurde.

 

Normenkette

VVG a.F. § 5a; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Urteil vom 18.06.2015; Aktenzeichen 12 O 715/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Amberg vom 18.06.2015, Az. 12 O 715/14, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Amberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.749,40 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Beiträgen zu einer fondsgebundenen Lebensversicherung nebst Nutzungsersatz sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Auf einen Versicherungsantrag des Klägers vom 07.03.2007 (Anlage K1) hin übersandte die Beklagte dem Kläger den Original-Versicherungsschein vom 04.04.2007 zu einer fondsgebundenen Lebensversicherung "Vorsorge invest" mit der Versicherungsnummer xFV-xxxxxxx einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, der Produktbedingungen sowie der Verbraucherinformationen (Anlagen K3 und B1). Das aus 14, fast durchgehend beidseitig bedruckten Blättern bestehende Geheft, von denen nur die ersten drei Seiten am Rand mit "Versicherungsschein" bezeichnet sind, enthält auf der Rückseite des ersten Blattes - mithin auf Seite 2 - eine Widerspruchsbelehrung. Diese ist im Gegensatz zum übrigen Fließtext im Versicherungsschein durchgehend im Fettdruck gehalten und mit der ebenfalls fettgedruckten Randüberschrift "Widerspruchsbelehrung" bezeichnet. Dem Geheft beigefügt war ein Policenbegleitschreiben vom selben Tag mit Hinweisen zur Verbraucherinformation (Anlage K2).

Mit Schreiben vom 06.07.2009 (Anlage K4) erklärte der Kläger die Kündigung des Vertrags und bat um Überweisung des "angesparten Werts".

Unter dem 22.07.2009 (Anlage K5, Seite 1) bot die Beklagte dem Kläger zunächst die Fortführung des Vertrags an. Mit Schreiben vom 21.09.2009 (Anlage K5, Seite 2) bestätigte die Beklagte sodann die Kündigung zum 01.08.2009 und teilte dem Kläger mit, dass ein Rückkaufswert zum Kündigungszeitpunkt noch nicht bestanden habe.

Bis zur Kündigung zahlte der Kläger vereinbarungsgemäß Beiträge in Höhe von insgesamt 5.600,00 EUR.

Mit Schreiben der Klägervertreter vom 10.09.2013 (Anlage K6) ließ der Kläger unter Berufung auf § 5a VVG (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, nachfolgend: a.F.) den Widerspruch gegen den Vertragsschluss erklären.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die erteilte Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch nicht hinreichend deutlich gestaltet, insbesondere weil sich diese nur auf einer Rückseite des 28-seitigen Gehefts befinde und daher leicht überblättert werden könne. Zudem sei die Belehrung inhaltlich fehlerhaft, insbesondere deswegen, weil ein Widerspruchsadressat nicht genannt werde. Im Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs habe daher - und wegen der Unwirksamkeit der Jahresfrist nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - ein zeitlich unbefristetes, nicht verwirktes Widerspruchsrecht bestanden, das der Kläger wirksam ausgeübt habe. Zudem sei der Vertrag wegen einer Richtlinienwidrigkeit des in § 5a Abs. 1 VVG a.F. normierten Policenmodells unwirksam. Die Beklagte habe dem Kläger daher die einbezahlten Beiträge nebst Nutzungsersatz auszubezahlen.

Hilfsweise hat der Kläger den Standpunkt vertreten, die Beklagte sei ihm zur Mitteilung der für eine Berechnung eines Mindestrückkaufswerts erforderlichen Angaben und zur entsprechenden Auszahlung verpflichtet.

Der Kläger hat daher erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.749,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.04.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 837,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht der Auffassung ist, dass der Klageantrag zu 1 nicht begründet ist, w...

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