Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenunterhalt von Rückkehr in die Türkei. Trennungsunterhalt nach türkischem Recht: Bedarf nach Rückkehr der Ehefrau in die Türkei und Bemessung eines fiktiven Einkommens
Leitsatz (amtlich)
1. Bedarf einer getrennt lebenden Ehefrau nach ihrer Rückkehr in die Türkei.
2. Fiktives Einkommen in Höhe des staatlichen Mindestlohns in der Türkei.
Normenkette
Türk. ZGB Art. 197; EDGBG Art. 18 Abs. 7; BGB § 1361 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 26.09.2007; Aktenzeichen 102 F 87/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des AG - FamG - Nürnberg vom 26.9.2007 abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die vom AG ausgeurteilten Unterhaltsrückstände für den Zeitraum Oktober 2006 bis einschließlich 20.4.2007 i.H.v. 1.713 EUR hinaus
- Unterhaltsrückstände für die Zeit vom 21.4.2007 bis 29.2.2008 i.H.v. 953 EUR und
- ab 1.3.2008 einen monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Trennungsunterhalt i.H.v. 90 EUR
zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt. Die türkische Klägerin und der türkischstämmige Beklagte haben am 8.5.2004 in der Türkei die Ehe geschlossen und leben seit März 2005 getrennt. Die Klägerin hat in Deutschland kein eigenes Aufenthaltsrecht und musste deswegen am 20.4.2007 ausreisen. Seitdem hält sie sich wieder in der Türkei (in der Stadt Izmir) auf.
Bereits im Jahr 2005 hatte der Beklagte in der Türkei die Scheidung eingereicht. Der Scheidungsantrag wurde mit Urteil des zuständigen FamG in Izmir vom 12.10.2005 zurückgewiesen; zugleich wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin ab 7.1.2005 bis zur Rechtskraft des Urteils einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 500 türkischen Lira (YTL) zu bezahlen. Dieses Urteil ist am 15.6.2006 rechtskräftig geworden.
Inzwischen hat der Beklagte in Deutschland ein Scheidungsurteil (vom 30.1.2008) erwirkt, das noch nicht rechtskräftig ist.
Der Beklagte arbeitet als Kraftfahrer und hat ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.257 EUR. Die Klägerin, die weder unmittelbar vor der Eheschließung noch während des Zusammenlebens der Parteien arbeitete, geht auch jetzt keiner Beschäftigung nach.
Mit Endurteil vom 26.9.2007 hat das AG - FamG - Nürnberg den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsrückstände für den Zeitraum Oktober 2006 bis einschließlich 20.4.2007 i.H.v. 1.713 EUR zu bezahlen, Im Übrigen - vor allem wegen des begehrten laufenden Trennungsunterhalts - hat es die Klage abgewiesen. Hierbei hat das AG für den Zeitraum nach Rückkehr der Klägerin in die Türkei türkisches Recht angewendet und den anhand des Einkommens des Beklagten ermittelten Bedarf der Klägerin wegen der geringeren Kaufkraft in der Türkei um ein Drittel gekürzt. Einen Unterhaltsanspruch hat das AG dann mit der Begründung verneint, der Klägerin sei ein fiktives Einkommen von mindestens 214 EUR, dem türkischen Mindestnettolohn, zuzurechnen, das den Bedarf decke. Sie habe nicht ausreichend vorgetragen, sich um Arbeit bemüht zu haben.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tenor und tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klägerin Berufung eingelegt, soweit das AG ihr Unterhalt ab 21.4.2007 versagt hat. Sie wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das FamG ihr ein fiktives Einkommen zugerechnet hat und begründet dies damit, dass sie keine Arbeit finde.
Die Klägerin beantragt:
Das Endurteil des AG Nürnberg vom 26.9.2007 wird teilweise aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin ab 20.4.2007 monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 192 EUR zu bezahlen, zahlbar jeweils monatlich im Voraus bis zum Dritten des Monats.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Erwerbsbemühungen der Klägerin seien nicht ausreichend.
II. Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt, mithin zulässig (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Beklagte schuldet der Klägerin Trennungsunterhalt auch für die seit nach dem 20.4.2007 und zwar i.H.v. monatlich zunächst 100 EUR und ab 1.7.2007 i.H.v. monatlich 90 EUR.
1. Auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin ist gem. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB türkisches Recht anzuwenden. Dort ist der Trennungsunterhalt in Art. 197 des türkischen Zivilgesetzbuches (TürkZGB) geregelt (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, III A 6.d). Nach Satz 2 dieser Vorschrift ergreift das Gericht auf Antrag eines Ehegatten u.a. die Maßnahmen bezüglich des Unterhaltsbeitrages eines Ehegatten an den anderen, wenn die Aufhebung der Lebensgemeinschaft begründet ist. Gemäß Satz 3 des Art. 197 TürkZGB kann jeder Ehegatte die Maßnahmen auch dann fordern, wenn der andere sich unberechtigt dem Zusammenleben entzieht oder das Zusammenleben aus e...