Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Zuwendung von Leistungen aus einer Lebensversicherung ist zwischen dem Deckungsverhältnis (Versicherungsvertrag) und dem Valutaverhältnis (Rechtsbeziehung zwischen Zuwendenden und Zuwendungsempfänger) zu unterscheiden.
2. Zweifel an der Berechtigung des Zuwendungsempfängers hinsichtlich des Erwerbs der Versicherungssumme, die sich alleine aus dem Valutaverhältnis ergeben, berechtigten den Versicherer nicht zur Hinterlegung der Versicherungssumme.
Normenkette
BGB § 328 Abs. 1, § 331 Abs. 1, § 372 S. 2; VVG § 159 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 21.05.2015; Aktenzeichen 11 O 2006/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.05.2015, Az. 11 O 2006/15, teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.736,84 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.11.2014 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger 9 % und die Beklagte 91 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 6.310,52 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Auszahlung der Versicherungsleistung aus einer Sterbegeldversicherung, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Hinterlegung der Versicherungssumme hat.
Der Onkel des Klägers unterhielt bei der Beklagten eine Sterbegeldversicherung, aus der mit seinem Tod zwischen 30.03. und 15.04.2014 eine Versicherungsleistung von 5.736,84 EUR fällig wurde. Widerruflich Bezugsberechtigter aus der Versicherung war der unter Betreuung stehende Kläger.
Mit Schreiben vom 20.08.2014 forderte die Beklagte den Kläger, der dadurch vom Tod seines Onkels und der Bezugsberechtigung aus der Versicherung erfuhr, zur schriftlichen Mitteilung seiner Kontoverbindung und Übersendung einer Kopie seines Personalausweises auf. Der Kläger meldete sich daraufhin am 26.08.2014 telefonisch bei der Beklagten. Am selben Tag richtete der Betreuer und Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Schreiben an die Beklagte unter Beifügung einer Ausweiskopie des Klägers und bat um weitere Informationen vor Auszahlung der Versicherungsleistung. Ebenfalls mit Schreiben ihrer Anwältin vom 26.08.2014, aber nach dem Schreiben des Betreuers des Klägers bei der Beklagten eingehend, widerriefen die Erben die Bezugsberechtigung des Klägers und den Auftrag an die Beklagte, dem Kläger den Eintritt des Versicherungsfalles und die Bezugsberechtigung mitzuteilen. Nach weiterem Schriftverkehr und Telefonaten mit dem Betreuer und Prozessbevollmächtigten des Klägers verweigerte die Beklagte eine Auszahlung der Versicherungssumme an den Kläger und hinterlegte diese beim AG Fürth.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es sah als unklar an, ob das von der Beklagten als Botin übermittelte Schenkungsversprechen vom Kläger rechtzeitig angenommen wurde und leitete daraus eine Berechtigung der Beklagten zur Hinterlegung ab, sodass sich diese von einer Leistungspflicht gegenüber dem Kläger gemäß § 378 BGB befreit habe.
Wegen des Weiteren Parteivorbringens in 1. Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.05.2015 Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 22.06.2015 zugestellte Endurteil des LG Nürnberg-Fürth mit Schriftsatz vom 01.07.2015, am selben Tag beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen, Berufung eingelegt.
Die Berufung rügt, dass entgegen der Auffassung des LG ein Hinterlegungsgrund nicht vorgelegen habe. Würden mehrere Personen aus verschiedenen Gründen vom Schuldner dieselbe Leistung verlangen, wäre dieser nicht hinterlegungsberechtigt. Im Übrigen sei das Schreiben des Betreuers vom 26.08.2014 als Annahme der Schenkung auszulegen.
Der Kläger beantragt unter Abänderung des Ersturteils:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Versicherungssumme aus der Sterbegeldversicherung Nr. 1011072501837 (Versicherungsnehmer: A. J.) i.H.v. 5.736,84 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 571,44 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch auf Hinterlegung im Sinne des § 372 BGB zusteht, so dass durch die erfolgte Hinterlegung der unter Ziffer 1 zu zahlenden Versicherungssumme seitens der Beklagten keine Erfüllung eintreten und der Kläger weiterhin die Auszahlung an sich fordern kann.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Die Rechtsunsicherheit für die Beklagte habe sich aus der Auslegungsbedürftigkeit der vom Kläger, seinem Betreuer und den Erben abgegebenen Erklärungen ergeben. Erben und Kläger würden Ansprüche aus demselben Rec...