Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Höhe eines Schmerzensgeldanspruchs (hier: 45000 DM [22500 EUR] zuzüglich 100 DM [50 EUR] monatliche Schmerzensgeldrente) für einen zum Unfallzeitpunkt 16jährigen aus einem drittverschuldeten Verkehrsunfall bei im wesentlichen folgenden Schädigungen:
- mehrwöchiger stationärer Krankenhausaufenthalt
- mehrfache Operationen; weitere u.U. erforderlich
- Hüftgelenksluxation
- Kniegelenkstorsion mit dadurch bedingter
- Conarthrose
- Meniskus- und Knorpelschaden
- Instabilität des Knies; dadurch verstärkte Sturzgefahr
- Beweglichkeitseinschränkung
- Schubladeneffekt bei absehbar sich verschlechternder Tendenz
- Behandlungsbedürftigkeit der Verletzungsfolgen auf Lebenszeit
- dauerhafte MdE von 30 %
- Einschränkung der Möglichkeit sportlicher Betätigung mit dadurch bedingten psychischen Belastungen.‹
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 22.04.1996; Aktenzeichen 8 U 1795/96) |
Gründe
I. Die Berufung des Klägers ist statthaft. Sie ist zulässig, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 511 ff ZPO).
In der Sache führt sie teilweise zum Erfolg, soweit der Kläger ein höheres Schmerzensgeld und eine Schmerzensgeldrente begehrt.
II. 1. Der Anspruch des Klägers auf eine billige Entschädigung in Geld gemäß § 847 Abs. 1 BGB (Schmerzensgeld) ist dem Grunde nach im Berufungsverfahren weiter unstreitig.
1.1. Das Berufungsgericht gelangt aufgrund der hier erhobenen Beweise zu der Überzeugung, daß dem Kläger über den freiwillig geleisteten Betrag von DM 15.000,00 hinaus ein Schmerzensgeld von weiteren DM 30.000,00, insgesamt DM 45.000,00, zusteht.
Denn die Beweisaufnahme hat weitere, über die Feststellungen des Landgerichts hinausgehende körperliche und seelische Unfallfolgen ergeben.
Als sichtbare Dauerschäden sind eine Weichteilverdickung des Kniegelenks, eine Narbenbildung, eine geringe Behinderung beim Strecken und eine mittelgradige Beugehemmung feststellbar. Schmerzen beim Gehen, eine Unsicherheit beim Abstoßen, ein leichtes Hinken links sowie ein auslösbarer Schubladeneffekt im Knie sind nach der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. K. als Unfallfolge auf Dauer verblieben.
Die hierauf beruhende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers hat Dr. ... mit 30 % eingeschätzt.
Eine arthrotische Veränderung des Knies hat bereits eingesetzt, eine Verschlechterung steht zu befürchten, eine neuerliche Operation kann erforderlich werden, eine Hüftkopfnekrose ist noch nicht auszuschließen. Der Kläger wird nach ärztlichen Feststellungen lebenslang medizinischer Behandlung bedürfen.
Wegen der Instabilität des Knies ist der Kläger gefährdet, ohne wesentlichen äußeren Anlaß zu stürzen, wie die Zeugen ... bestätigt haben und wie dies vom sachverständigen Zeugen Dr. K. als möglich beurteilt wird.
Bisher hat sich der Kläger drei Operationen unterziehen müssen. Der Kläger war bis zum Unfall Angriffsspieler in einer Basketballmannschaft der ... Turngemeinschaft. Drei- bis viermal hat er hierfür am wöchentlichen Trainingsbetrieb teilgenommen. Diesen Wettkampfsport kann er nicht mehr betreiben. Er ist im übrigen auf Radfahren, Schwimmen, Joggen mit Bandage und Fitneßübungen beschränkt.
Die erheblichen Beeinträchtigungen seiner Freizeitaktivitäten und die zunehmende Verschlechterung des Gebrauchs des linken Knies belasten den Kläger lebenslang.
Schon diese körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen rechtfertigen ein beträchtliches Schmerzensgeld (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.1995 - 8 U 269/95 -).
Nach den Aussagen der Zeugen ... ist der Kläger auch psychisch zusätzlich belastet, was durch den Ausdruck von Lebensüberdruß deutlich wird.
Er ist sozial vereinsamt, weil sich der Freundeskreis aus seinem Sportbereich ausdünnt, wie seine Eltern bekundeten.
Auch für diese seelischen Folgeschäden einer Verletzungshandlung hat der Schädiger einzustehen (BGH, Urteil vom 30.04.1996, VI ZR 55/95).
Bei den Überlegungen zur Höhe des Schmerzensgeldes ist weiter zu berücksichtigen, daß der Kläger seit seinem 16. Lebensjahr an den Folgen des Unfalls in sich verstärkender Weise zu tragen hatte und diese weiter zu erdulden haben wird und daß die Beklagte bisher diesen Umständen seit dem Unfall vom 11.09.1994 nur unzulänglich Rechnung getragen hat (vgl. BGH WM 1989/1481).
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß in schwerwiegender Weise das zukünftige Leben des jugendlichen Klägers für die gesamte zukünftige Dauer zum Negativen verändert worden ist.
Ein Schmerzensgeld von zusammen DM 45.000,00, also weitere DM 30.000,00 ist erforderlich, um dem Kläger zu ermöglichen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten anstelle des eingetretenen Verlustes an Lebensqualität zu verschaffen. Dabei ist berücksichtigt, daß dem Kläger noch eine Schmerzensgeldrente zuzusprechen ist.
1.2. Der Kläger ist auf Dauer geschädigt und in seinen Umweltbeziehungen beeinträchtigt. Diese lebenslang fortdauernden Benachteiligungen werden sich in Zukunft ständig erneuern und fortlaufend als schmerzlich empfunden werden, zumal er einer Ent...