Leitsatz (amtlich)

›1. Zur Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs (hier: 65000 DM [32500 EUR] sowie immaterieller Vorbehalt) eines jungen Mannes, der bei einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall massive Kopfverletzungen (insbesondere mehrfache Schädelfrakturen) erlitten hat, die zu gravierenden gesundheitlichen

- u.a. Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen bzw. -verlust

- Ohrensausen

- Kopfschmerzen bei Wetterwechsel

- Rhinitis,

privaten und beruflichen Dauerfolgen führen.

2. Eine über mehrere (hier: 6) Jahre betriebene, unzureichende Schadensregulierung durch die beklagte Haftpflichtversicherung [Regulierungsverzögerung], bei der trotz rechtskräftig festgestellter Haftung dem Grunde nach sogar ein Teil des vorprozessual bezahlten, unangemessen niedrigen Schmerzensgeldes über eine Widerklage zurückverlangt wurde, ist als psychisch belastend durch Erhöhung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen (Fortführung von OLG Nürnberg Az. 11 U 267/95 ; 6 U 3535/96 ; 6 U 4215/96).‹

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 15.04.1997; Aktenzeichen 2 O 5633/94)

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen § 543 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsverfahren hat zu Beweiszwecken den Kläger in Augenschein genommen und ihn angehört.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Schlußurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.04.1997 ist statthaft. Sie ist zulässig, weil sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 511 ff ZPO).

In der Sache führt sie überwiegend zum Erfolg.

II.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Folgen des allein vom Beklagten zu 1) verursachten Unfalls vom 01.07.1991 ist rechtskräftig festgestellt.

Außerdem ist im rechtskräftigen Teilend- und Grundurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.04.1996 festgestellt, "daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedwedigen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Verkehrsunfalls vom 01.07.1991, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist, zu ersetzen".

Weiter ist mit diesem Urteil eine Widerklage der Beklagten zu 2) über Rückzahlung von Schmerzensgeld in Höhe von DM 13.891,51 abgewiesen worden.

Aufgrund der vom Kläger gegen das Schlußurteil vom 15.04.1997 eingelegten Berufung stehen ihm zusätzlich folgende Beträge zu:

1. Schmerzensgeld:

Das Berufungsgericht gelangt auf Grund der Sach-, Rechts- und Beweislage zu der Überzeugung, daß dem Kläger über den freiwillig gezahlten Betrag von DM 20.000,00 hinaus ein Schmerzensgeld von weiteren DM 45.000,00, insgesamt DM 65.000,00 zusteht.

Unter zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage entsprechend dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.10.1994 (NJW 1995/452) hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld gegen den pflichtversicherten Alleinverursacher des Unfalls und dessen Haftpflichtversicherer rechtskräftig bejaht (§ 829 BGB).

Es widerspräche kraß dem Billigkeitsempfinden, wenn dem Kläger für die Folgen seiner schweren Verletzungen mit lebenslangen Dauerschäden aus dem vom Beklagten zu 1) unter Einwirkung von bestrafungsrelevanten Betäubungsmitteln allein verursachten Unfall Schmerzensgeld versagt bliebe (vgl. BGH a.a.O., S. 454, cc), obwohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu 1) unter Berücksichtigung des von der Beklagten zu 2) zu gewährenden Versicherungsschutzes eine Schadloshaltung des verletzten Klägers auch beim Schmerzensgeld gebietet und erfordert (vgl. BGH a.a.O., S. 454, cc).

Die gesundheitlichen Folgen des Unfalls stellen sich für den Kläger dar wie folgt:

Nach dem Bericht der Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Universität E -N vom 02.02.1993 erlitt der Kläger am 01.07.1991 eine Le Fort II-Fraktur (Oberkieferfraktur) und eine Stirnhöhlenvorderwandfraktur.

Das Gehirn war an den Kopfverletzungen beteiligt. Er befand sich im Zustand völliger Bewußtlosigkeit.

Nach der gutachtlichen Äußerung der Ärztin K vom 08.03.1993 der HNO-Klinik der Universität E sind die Verletzungen präzisiert als Nasenbeintrümmerfraktur, Fraktur beider Kieferhöhlenvorder- und Hinterwände, Siebbeinfrakturen beiderseits, Stirnhöhlenvorderwandfraktur rechts, Stirnhöhlenhinterwandfraktur rechts, Malocclusion und Gesichtsweichteilverletzungen. Außerdem sind Kopfschmerzen bestätigt.

Als Befunde am 03.08.1992 sind nach Mittelgesichtsfraktur und NNH-Fraktur vermerkt:

sensoneurale Schwerhörigkeit und Tinnitus rechts,

Anosmie beiderseits (Aufhebung des Geruchsvermögens) dauerhaft,

Hypogeusie (herabgesetzte Geschmacksempfindung),

Septumdeviation nach rechts (Verschiebung der Nasenscheidewand).

Ein Bericht der selben Klinik vom 03.01.1992 vermerkt noch eine Contusio labyrinthi beiderseits mit Innenohrschädigung und eine Hypästhesie (Empfindlichkeitsstörung) der rechten Oberlippe, Bißfehlstellung.

Das Gutachten der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkranke der Universität E - N vom 30.10.1996 (Bl. 158 ff d.A.) zitiert einen Bericht der Neurochirurgischen...

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