Leitsatz (amtlich)

1) Wird in einem Arzthaftungsprozess der Schadensersatzanspruch des Patienten auf unzureichende ärztliche Aufklärung einerseits und fehlerhafte Behandlung andererseits gestützt, so handelt es sich bei dem Klagebegehren in der Regel um zwei unterschiedliche Streitgegenstände (Anschluss an OLG Zweibrücken, MedR 2006, 281).

2) Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung nach § 126 SGB V definieren nicht, was nach § 630f Abs. 2 Satz 1 BGB als aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlich anzusehen ist. Entspricht eine schriftliche oder bildliche Operationsdokumentation nicht den Anforderungen einer solchen Richtlinie (hier: der Qualitätsbeurteilungs-Richtlinie Arthroskopie), so kann allein hierauf eine Beweiserleichterung für den Patienten nicht gestützt werden.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 280 Abs. 1, § 630f Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Urteil vom 24.02.2016; Aktenzeichen 22 O 891/13)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Amberg vom 24.02.2016, Az.: 22 O 891/13, wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Klageabweisung wegen Verneinung eines Aufklärungsfehlers richtet, im Übrigen wird sie zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil sowie das vorbezeichnete Endurteil des LG Amberg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 47.202,63 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz, auch in der Form von Schmerzensgeld, in Anspruch, weil ihm am 27.06.2012 im unmittelbaren Anschluss an eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks eine Endoprothese in der Form einer unikondylären Schlittenprothese ohne hinreichende medizinische Indikation eingesetzt worden sei; infolgedessen sei die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks erheblich und dauerhaft eingeschränkt, weshalb er auch seine Arbeitsstelle verloren habe.

Der Kläger wurde wegen Beschwerden im rechten Kniegelenk mehrmals Untersuchungen unterzogen; so erfolgte am 24.01.2012 eine Magnetresonanztomographie, am 29.02.2012 eine Arthroskopie und am 06.06.2012 eine erneute Magnetresonanztomographie. Daneben erfolgten klinische Untersuchungen durch die verschiedenen Ärzte, die der Kläger seit Januar 2012 wegen seiner Beschwerden aufsuchte.

Am 19.06.2012 stellte sich der Kläger in der Klinik der Beklagten wegen seiner anhaltenden Kniebeschwerden vor; dort wurde erneut eine klinische Untersuchung vorgenommen, ferner wurden Röntgenaufnahmen angefertigt. Einem Arztbrief des ärztlichen Direktors der Beklagten, ..., vom 20.06.2012 zufolge zeigten sich auf den Röntgenaufnahmen im Bereich der medialen Kondyle osteonekrotische Veränderungen. Er stellte die Verdachtsdiagnose eines Morbus Ahlbäck. Dem Kläger sei aufgrund der massiven Beschwerdeproblematik, des eindrücklichen radiologischen und des damit korrespondierenden klinischen Befundes zur zeitnahen Rearthroskopie und zur befundabhängigen Sanierung geraten worden. Je nach Befund sei über gelenkerhaltende Maßnahmen mit Ausräumung der Osteonekrose, Spongiosaplastik und MACT zu diskutieren, alternativ sei auch über kniekondyläre Schlittenprothesen gesprochen worden. Am 20.06.2012 unterzeichnete der Kläger einen Aufklärungsbogen betreffend die "Arthroskopie des Kniegelenkes", in dem handschriftlich auf Seite 1 nach dem abgekürzten Wort "ggf." mit Spiegelstrichen "Knorpelentnahme zur MACT", "Pridie-Bohrung", "Knochentransplantation", "Schlittenprothese" aufgeführt sind. Mit seiner Unterschrift erklärte der Kläger gemäß dem vorgedruckten Text seine Einwilligung in den geplanten Eingriff und sein Einverständnis mit medizinisch erforderlichen, auch unvorhersehbaren, Erweiterungen des Eingriffs.

Am 27.06.2012 wurde die geplante Arthroskopie durchgeführt; im Zuge desselben Eingriffs erfolgte sodann die Implantation eines unikondylären Gelenkersatzes. Im Operationsbericht ist dazu vermerkt, im Zuge der Arthroskopie zeige sich erneut die Indikation zur Implantation eines unikondylären Ersatzes bestätigt. Eine detaillierte Darstellung des Arthroskopie-Befundes enthält der Operationsbericht nicht.

Zur Begründung der auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Betragsvorstellung: 25.000,00 EUR) und materiellen Schadensersatzes in Höhe von 12.202,63 EUR nebst Zinsen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden gerichteten

Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Implantation des Gelenkersatzes sei nicht veranlasst gewesen. Der Behandlungsdokumentation könne eine Begründung für das gelenkresezierende Vorgehen der Ärzte der Beklagten nicht entnommen werden. Es sei s...

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