Leitsatz (amtlich)
Dem Tatbestand des § 42 StAG unterfällt grundsätzlich jede unrichtige oder unvollständige Angabe zu Vorstrafen eines Antragstellers. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Antragsteller einen Anspruch auf Einbürgerung hat.
Normenkette
StAG § 12a; BVFG § 98; AufenthG § 95
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 07.01.2016; Aktenzeichen 14 Ns 457 Js 49798/15) |
Tenor
I.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. Januar 2016, Aktenzeichen 14 Ns 457 Js 49798/15 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Nürnberg verurteilte die Angeklagte mit Urteil vom 21. Oktober 2015 wegen unrichtiger Angaben im Einbürgerungsverfahren gemäß § 42 StAG zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro.
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Der Verteidiger der Angeklagten legte ein Rechtsmittel ein, das mangels näherer Bezeichnung nach Ablauf der Frist des § 345 StPO als unbeschränkte Berufung zu behandeln war. Mit Urteil vom 7. Januar 2016 verwarf das Landgericht Nürnberg-Fürth - 14. Strafkammer - die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet. Auf die Berufung der Angeklagten hin hob es das amtsgerichtliche Urteil auf, sprach die Angeklagte frei und legte die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last. Für den Freispruch führte die Kammer Rechtsgründe an: Die Falschangabe der Angeklagten in ihrem Einbürgerungsverfahren habe keine wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung zum Gegenstand gehabt, da die abgeleugnete Vorstrafe aufgrund von § 12a StAG für das Verfahren unbeachtlich gewesen sei. Zudem habe die Angeklagte keine Einbürgerung erschlichen im Sinne des § 42 StAG oder dies versucht, denn es seien keine Umstände ersichtlich, die einer Einbürgerung der Angeklagten nach § 10 StAG entgegenstünden.
Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge einer Verletzung materiellen Rechts. Falsche Angaben zu Vorstrafen unterfielen § 42 StAG auch dann, wenn die Vorstrafen unter der Bagatellgrenze des § 12a StAG lägen. Denn diese Norm billige der Einbürgerungsbehörde ein Prüfrecht hinsichtlich der Frage zu, welche Vorstrafen außer Betracht zu bleiben hätten, und ordnungsgemäß prüfen könne die Behörde nur auf der Grundlage vollständiger und richtiger Angaben. Der Begriff der "wesentlichen" Einbürgerungsvoraussetzungen in § 42 StAG habe auch dann eine Funktion, wenn man jede Vorstrafe als in diesem Sinne wesentlich betrachte, denn für die Einbürgerung spielten auch noch andere Umstände als Vorstrafen eine Rolle. Die Staatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg schließt sich der Revision in vollem Umfang an.
In seiner Gegenerklärung führt der Verteidiger der Angeklagten aus, dass das angefochtene Urteil seines Erachtens keine Rechtsfehler habe. Aus § 12a StAG folge, dass Vorstrafen bis zu 90 Tagessätzen für die Einbürgerung unbeachtlich seien und folglich bei der Anwendung des § 42 StAG als unwesentlich zu gelten hätten. Insoweit gebe es gerade kein Prüfrecht der Behörde. Auch fehle es in solchen Fällen an einem "Erschleichen" der Einbürgerung. Der Verteidiger beantragt, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Die statthafte und auch im übrigen zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Kammer legt § 42 StAG zu eng aus (dazu sogleich 1) und trifft weder zum äußeren (dazu unter 2) noch zum inneren Tatbestand (dazu unter 3) zureichende Feststellungen.
1. Der äußere Tatbestand des § 42 StAG verlangt, dass der Täter zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung unrichtige oder unvollständige Angaben macht, das heißt mit Bezug auf solche Voraussetzungen Falsches erklärt oder Richtiges verschweigt.
a) Wesentliche Voraussetzung der Einbürgerung ist, dass Vorstrafen des Antragstellers unterhalb der Schwelle des § 12a StAG bleiben oder sie nur geringfügig im Sinne dieser Norm übersteigen. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann der Antragsteller einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG haben (sogenannte Anspruchseinbürgerung). Ob er einen solchen Anspruch hat, ist für das Verfahren der Einbürgerung wesentlich, da es ein rechtlich wie tatsächlich bedeutender Unterschied ist, ob die Behörde gebunden entscheidet oder nach ihrem Ermessen (sogenannte Ermessenseinbürgerung nach § 8 oder § 9 StAG).
Andere Auslegungen des Merkmals "wesentlich" überzeugen nicht. Di...