Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorliegen von Werbung im Sinne des HWG ist anhand des in Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG definierten Begriffes zu beurteilen. Danach ist von einem sehr weiten Begriff der Werbung für Arzneimittel auszugehen.

2. Für die Anwendbarkeit von § 7 HWG ist eine mittelbare Gesundheitsgefährdung ausreichend, die durch eine Beeinflussung mittels eines als Werbemaßnahme durchgeführten Preisausschreibens herbeigeführt werden kann.

3. Bei Werbegaben an Angehörige der Heilberufe bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob es sich bei diesen Werbegaben um geringwertige Kleinigkeiten handelt, da die in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG enthaltene diesbezügliche Einschränkung gegenüber Angehörigen der eingangs genannten Berufsgruppe keine Anwendung findet.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11; HWG § 7 Abs. 1 S. 1; EGRL 83/2001 Art. 86 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 1 HK O 10111/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 30.6.2011 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel mit der Ankündigung eines Gewinnspiels und dem Versprechen zu werben:

"Gewinnen Sie mit C. Bitte kreuzen Sie die richtige Lösung an. Als kleine Belohnung verlosen wir unter allen richtigen Einsendungen 25 × Cityshopper Reisenthel "fleur schwarz" und 100 × 5 EUR Douglasgutscheine", wenn dies geschieht wie folgt:

III. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu Euro 250.000 oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, angedroht. Die Ordnungshaft ist an einem Vorstandsmitglied der Beklagten zu vollziehen.

IV. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 18.1.2011 zu zahlen.

V. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsausspruches durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung der Kostenentscheidung kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte stellt Arzneimittel her. Sie ist Inhaberin der Registrierung für das Fertigarzneimittel "C.", das sie auch vertreibt. Dem Heft Nr. 19 der Oktoberausgabe 2010 der Zeitschrift "PTA heute", die sich an das Personal von Apotheken wendet, legte die Beklagte einen Faltprospekt bei, der sich mit "C." befasste und in dem folgendes Gewinnspiel enthalten war:

Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass es sich um eine gegen § 7 Abs. 1 HWG verstoßende unzulässige Werbung handele. Der an dem Preisrätsel Teilnehmende erbringe nämlich keine wirtschaftliche Gegenleistung. Auch seien die ausgelobten Taschen keine Gegenstände von geringem Wert oder geringwertige Kleinigkeiten i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG. Er hat deshalb beantragt, die Beklagte dazu zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel mit der Ankündigung eines Gewinnspiels, wie es der Klage zugrunde gelegt wurde, zu werben. Ferner hat er die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten begehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat die Meinung geäußert, ihr beanstandetes Verhalten habe Informationszwecken und nicht der Werbung gedient. Auch seien Preisausschreiben in Fachkreisen, zu denen die PTA gehörten, grundsätzlich zulässig. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG auch deshalb nicht vor, weil die angesprochenen PTA ihrerseits eine Leistung zu erbringen gehabt hätten. Durch die zu beantwortenden Fragen werde der Kenntnisstand der angesprochenen PTA ermittelt, was eine Marktinformation von wirtschaftlichem Wert darstelle.

Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt:

Das angegriffene Verhalten der Beklagten sei zwar als Werbung zu erachten, diese Werbung sei jedoch gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Alt. 2 HWG zulässig. Die ausgelobte Tasche im Wert von 9,90 EUR stelle jedenfalls im Falle der Werbung gegenüber Fachkreisen eine geringwertige Kleinigkeit dar. Zwar stelle bei Zugrundelegung des tariflichen Einkommens von PTA eine Einkaufstasche von 9,90 EUR keinen völlig unbedeutenden Wert dar, sie scheine aber nicht geeignet, die PTA in ihrem...

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