Leitsatz (amtlich)
Zu einer rechtzeitigen Vollziehung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung ist in Fällen, in denen im erstinstanzlichen Endurteil die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheit abhängig gemacht wurde, die Leistung dieser Sicherheit zur Wahrung der Vollziehungsfrist erforderlich.
Normenkette
ZPO § 929 Abs. 2, § 936
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 19 O 4846/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. September 2021, Az. 19 O 4846/21, abgeändert, soweit darin dem Verfügungsantrag entsprochen wurde, und der Verfügungsantrag zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darum, ob das erstinstanzlich ergangene Verfügungsurteil wegen Versäumung der Vollziehungsfrist aufzuheben ist.
Die Klägerin, die u.a. Kunststoffabwasserrohrsysteme herstellt und anbietet, bekämpft mit ihrem auf Unterlassung gerichteten Verfügungsantrag Äußerungen des beklagten Vereins, in dem sich Anbieter von Abflussrohren aus Guss zusammengeschlossen haben, denen zufolge die Produkte der Klägerin in bestimmter brandschutztechnischer Hinsicht "unzulässig" seien.
Das Landgericht hat im angegriffenen Endurteil vom 7. September 2021, beiden Parteivertretern zugestellt am selben Tag, dem Verfügungsbeklagten ordnungsmittelbewehrt untersagt, zu Werbezwecken bestimmte Äußerungen über Abflussrohrsysteme der Verfügungsklägerin zu tätigen, und den Verfügungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Die Verfahrenskosten hat es den Parteien je hälftig auferlegt. Ferner hat das Landgericht ausgesprochen, dass das Urteil für die Verfügungsklägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR und für den Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vollstreckbar sei und dies in den Entscheidungsgründen mit § 709 S. 1 u. 2 ZPO erklärt.
Die Berufung der Verfügungsbeklagten macht ausschließlich geltend, dass die Verfügungsklägerin die Vollziehungsfrist nicht eingehalten habe, weil sie - was die Verfügungsklägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede stellt - die geforderte Sicherheit nicht innerhalb der Vollziehungsfrist, die am 7. Oktober 2021 endete, geleistet hat.
Die Verfügungsklägerin vertritt in ihrer Berufungserwiderung und einem nachfolgenden Schriftsatz den Standpunkt, dass es einer Sicherheitsleistung nicht bedurft habe, um die Vollziehungsfrist zu wahren. Zwischen Vollziehung und Vollstreckung sei zu unterscheiden. Die Verfügungsklägerin sei zwar vor Rechtskraft des Verfügungstitels nur dann berechtigt, einen Ordnungsmittelantrag zu stellen, wenn sie die Sicherheit leistet. Die Vollstreckung liege aber in ihrem Belieben, zumal die Anordnung der Sicherheitsleistung dem Verfügungskläger nur die Möglichkeit gebe, vor Rechtskraft des Urteils zu vollstrecken, für ihn aber keine entsprechende Pflicht begründe. Dagegen sei der Verfügungskläger zur Vollziehung gesetzlich gezwungen. Dem Vollstreckungsschuldner entstehe kein Nachteil, da er zwar von Anfang an gehalten sei, den Unterlassungstenor zu befolgen, Konsequenzen aus einer Nichtbefolgung aber erst befürchten müsse, wenn die Sicherheit geleistet ist.
Der Senat hat eine Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeregt, welche erteilt wurde; eine Beweisaufnahme ist nicht erfolgt.
II. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückweisung des Verfügungsantrags.
1. Nach § 929 Abs. 2 (i.V.m. § 936) ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Arrestbefehl/das Verfügungsurteil verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Das Unwirksamwerden kann u.a. in einem Berufungsverfahren geltend gemacht werden (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 929 Rn. 15).
Für Fälle, in denen die Vollziehung eines Arrestbefehls oder einer einstweiligen Verfügung (z.B. nach § 921 ZPO, oder wegen § 938 ZPO) von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, wird allgemein verlangt, dass auch diese Sicherheit innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO geleistet sein muss (statt vieler Spätgens/Kessen, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 103 Rn. 30 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 18. Februar 1988 - 19 U 6445/87, NJW-RR 1988, 1466).
2. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass zu einer rechtzeitigen Vollziehung in Fällen, in denen im erstinstanzlichen Endurteil die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheit abhängig gemacht wurde, ebenfalls die Leistung dieser Sicherheit zur Wahrung der Vollziehungsfrist erforderlich ist (ebenso OLG Celle Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 ...