Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen behaupteten Verlusts von Transportgut
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Erstgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. (Rn. 46)
2. Die Überlassung von Schadensunterlagen an den Versicherer zum Zwecke der Prozessführung, der letztlich für den Ausgleich des Schadens gegenüber dem Geschädigten verantwortlich ist und geleistet hat, hat allein den Sinn, diesen in den Stand zu setzen, die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen. Dazu gehört nach der Vorstellung und dem Willen wirtschaftlich denkender Parteien erfahrungsgemäß auch, dass dem Versicherer alle vorhandenen Ansprüche gegen den Schädiger abgetreten werden. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es hierzu nicht. Es ist vielmehr von einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Verhalten auszugehen. (Rn. 59)
3. Der Frachtführer ist von seiner Haftung nur bzgl. solcher Schadensursachen befreit, die er im konkreten Fall auch durch die äußerste, ihm mögliche und nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt nicht vermeiden und in ihren Folgen nicht beherrschen konnte. (Rn. 65)
4. Ein Brand eines abgestellten Transportfahrzeugs (und des darin befindlichen Transportgutes) ist nur dann unvermeidbar, wenn alle möglichen vom Frachtführer zu verantwortenden Brandursachen ausgeschlossen sind. Bei ungeklärter Brandursache ist dies nicht der Fall. (Rn. 66)
5. Selbst ein Brandanschlag wird als vermeidbar angesehen. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrer im Lkw schlief. Allein der Umstand, dass der Schaden durch Brandstiftung eingetreten ist, reicht nicht zum Nachweis der Unabwendbarkeit aus; mit dem ungesicherten Abstellen des Lastzugs ist ein Grund gegeben, der der Unabwendbarkeit entgegensteht. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
6. Unter dem Marktpreis i.S.d. Art. 23 Abs. 2 CMR ist der durchschnittliche Preis zu verstehen, zu dem entsprechende Güter am Versandort gehandelt werden; gemeint ist der gewöhnliche Verkaufspreis am Versandort, also der Durchschnittswert, den ein Gut gleicher Art und Güte unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Falles im allgemeinen bei einem Verkauf am Versandort erzielen würde. (Rn. 71)
7. Ein vorsatzgleiches Fehlverhalten i.S.d. Art. 29 Abs. 1 CMR liegt vor, wenn ein Verstoß leichtfertig in dem Bewusstsein begangen wird, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen. (Rn. 80)
8. Kann der Frachtführer im Rahmen seiner Recherchepflicht trotz angemessener Nachforschungen keine Angaben zur Schadensentstehung machen, kann daraus allerdings nicht die Vermutung für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens hergeleitet werden. Der Ersatzberechtigte bleibt in einem solchen Fall für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens des Transporteurs oder seiner Leute gegebenenfalls beweisfällig. (Rn. 86)
Normenkette
CMR Art. 1 Abs. 1, Art. 17 Abs. 2, Art. 23, 27, 29; Rom I-VO Art. 25 Abs. 1; VVG § 86 Abs. 1 S. 1; ZPO § 522
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 23.08.2018; Aktenzeichen 3 HK O 6927/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) wird verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 2.261,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2016 richtet, mit der Maßgabe, dass kein höherer Zinssatz als 5% p.a. geschuldet ist.
II. Auf die weitergehende Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) teilweise (im Umfang von 12.199,50 EUR nebst Zinsen hieraus) abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.
III. Es tragen von den Kosten des Rechtsstreits
- im ersten Rechtszug die Klägerin 52% und die Beklagte 48%,
- im zweiten Rechtszug die Klägerin 84% und die Beklagte 16%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) ist, soweit die hiergegen gerichtete Berufung verworfen wird, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.460,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Sch...