Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung - Versicherungsausschluss bei Selbststrangulation
Leitsatz (amtlich)
Eine gezielt herbeigeführte Selbststrangulation, auch wenn diese nicht in Suizidabsicht erfolgt, verwirklicht den Ausschlusstatbestand der Ziff. 5.2.3 AVB.
Normenkette
AUB Ziff. 5.2.3
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 26.09.2018; Aktenzeichen 31 O 2183/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 26.09.2018, Az. 31 O 2183/17, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Regensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 273.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einer privaten Unfallversicherung in Anspruch.
1. Seit Versicherungsbeginn am 01.09.2014 hält die Klägerin bei der Beklagten eine private Unfallversicherung, in der ihr Sohn mitversichert ist (vgl. Versicherungsschein, Anlage K1). Der Vertrag sieht im Falle einer unfallbedingten Vollinvalidität die Zahlung einer Invaliditätssumme in Höhe von 273.000,00 EUR vor. Vereinbart ist die Geltung von AVB nach dem Muster der AUB 2014 (vgl. Anlage B1). Diese sehen insbesondere den folgenden Leistungsausschluss vor:
5.2 Ausgeschlossen sind außerdem folgende Beeinträchtigungen: ...
5.2.3 Gesundheitsschäden durch
- medizinische oder sonstige Eingriffe am Körper der versicherten Person;
- Heilmaßnahmen.
Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn die medizinischen Eingriffe oder Heilmaßnahmen, auch strahlendiagnostische und -therapeutische, durch einen unter diesen Vertrag fallenden Unfall veranlasst waren.
Am 28.05.2016 wurde der Sohn der Klägerin im Treppenhaus des Anwesens der Klägerin mit dem Hals in einer Schlinge an einem Seil hängend vorgefunden, das er zuvor am darüber befindlichen Treppengeländer befestigt hatte. Durch eine Strangulation mit diesem Seil und das Abschneiden der Sauerstoffversorgung erlitt der Sohn der Klägerin eine erhebliche Schädigung des Gehirns. Unmittelbar zuvor hatte sich der Sohn der Klägerin auf seinem Smartphone ein Video angesehen, in dem eine gezielt und freiwillig beigebrachte Strangulation ("throatlift") zu sehen ist.
Wegen des Vorfalls führte die Staatsanwaltschaft Regensburg (Az. 521 UJs 67385/16, vgl. Anlage B4) ein Ermittlungsverfahren durch.
Mit Unfallanzeige vom 01.12.2016 (Anlage B2) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten wegen des Vorfalls Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vertrag geltend. Die Beklagte wies ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 16.01.2017 (Anlage B5), bestätigt durch Schreiben vom 10.02.2017 (Anlage B6) und vom 04.09.2017 (Anlage B7) zurück.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, ihr Sohn habe bei dem Vorfall weder mit Suizidabsicht noch aus autoerotischen Motiven gehandelt und auch keine Strangulation herbeiführen wollen. Er habe sich auch keine Schlinge um den Hals gelegt. Durch das Wegrollen des Bürostuhls, auf den er gestiegen sei, habe er sich vielmehr unfreiwillig erhängt.
Die Klägerin hat daher erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 273.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt:
Klageabweisung.
Sie hat sich hierzu insbesondere darauf berufen, dass eine Leistungspflicht bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil der Sohn der Klägerin mit Suizidabsicht gehandelt und deswegen die Gesundheitsschädigung nicht unfreiwillig erlitten habe. Jedenfalls sei eine Leistungspflicht nach Ziff. 5.2.3 AVB ausgeschlossen, weil der Sohn der Klägerin zumindest gewollt eine Strangulation herbeigeführt und damit einen Eingriff an seinem Körper vorgenommen habe.
Zudem hat die Beklagte das Vorliegen einer dauerhaften Vollinvalidität bestritten.
2. Das Landgericht hat die Klage durch das angegriffene Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Zwar liege ein Versicherungsfall in Form eines Unfalls vor, den die Klägerin innerhalb der vereinbarten Fristen geltend gemacht habe.
Jedoch berufe sich die Beklagte zu Recht auf einen Ausschluss nach Ziff. 5.2.3 AVB. Als Eingriff in diesem Sinn sei eine Handlung zu verstehen, die gezielt und zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks vorgenommen werde, um eine Substanzverletzung des Körpers oder zumindest eine Beeinträchtigung körperlicher Funktionen herbeizuführen.
Von einer solchen bewussten Handlung des Sohnes der Klägerin sei auszugehen. Dieser habe sich ein Seil um den Hals g...