Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann der Käufer eines Personenkraftwagens auf Grund besonderer Umstände im konkreten Fall erwarten darf, dass das als Vorführwagen angebotene Fahrzeug ein bestimmtes Alter nicht überschreitet.
Normenkette
BGB §§ 323, 434, 437
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 7 O 206/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.10.2020, Az. 7 O 206/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.570,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. I. Am 07.11.2019 schlossen die Parteien einen schriftlichen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 25.570,00 EUR ab (Anlage A 2). Der Kaufvertrag datiert zwar auf den 06.11.2019, die Klägerin nahm diesen jedoch zunächst mit nach Hause, um sich den Kauf in Ruhe zu überlegen, und gab den Vertrag erst am Folgetag im Autohaus ab. Der Kaufvertrag ist überschrieben mit "Verbindliche Gebrauchtwagen-Bestellung", das Fahrzeug ist als "Vorführwagen" bezeichnet. Das Datum der Erstzulassung wird mit "26.07.2019 lt. Zul. Besch. Teil II" angegeben.
Die Klägerin war auf das Fahrzeug durch eine Internetanzeige der Beklagten aufmerksam geworden. Dort war was Fahrzeug als "Neufahrzeug" mit einer Laufleistung von 5 km beworben (Anlage A 1). Im Rahmen des Verkaufsgesprächs am 06.11.2019 hatte der Verkäufer der Beklagten, Herr C., die Klägerin jedoch darüber aufgeklärt, dass es sich um einen Vorführwagen handle und das Fahrzeug nicht mehr neu sei.
Der Klägerin wurde von "AutoDNA" mitgeteilt, dass das Fahrzeug bereits am 25.07.2017 hergestellt worden sei (Anlage A 4). Die Beklagte behauptet unter Vorlage einer Historie für den Pkw, dass das Fahrzeug am 15.03.2018 hergestellt worden sei (Anlage B 2).
II. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hörte die Klägerin informatorisch an.
Am 15.10.2020 erließ das Landgericht das nachfolgende Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws Marke Fiat, Typ 124 Spider-S-Design 1.4 MuItiAir, Fahrgestell-Nr: [...], die Klägerin aus der Inanspruchnahme aus dem Darlehensvertrag mit der F. Bank, VertragsNr.: [...], freizustellen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin aus der Inanspruchnahme außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR freizustellen.
Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gewesen sei. Denn das am 26.07.2019 erstmals zugelassene Fahrzeug sei spätestens am 15.3.2018 hergestellt worden. Ein Alter des PKWs von rund 1,5 Jahren zum Zeitpunkt des Kaufvertrags führe zur Bejahung eines Mangels, auch wenn es vorliegend als Vorführwagen veräußert worden sei.
III. Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung. Sie beantragt, unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Zwar habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem Kaufvertrag um eine Gebrauchtwagenbestellung handele, das Fahrzeug als Vorführwagen bezeichnet sei sowie nach zunächst im Internet erfolgten Angebot als Neufahrzeug im Rahmen des Verkaufsgesprächs durch den Verkäufer eine Richtigstellung dahingehend erfolgt sei, dass das Fahrzeug nicht mehr neu sei. Die anschließende Umkehrung dieses Ergebnisses in das Gegenteil aus der angeblichen Überzeugung des Gerichts, der Klägerin sei immer wieder suggeriert worden, es handle sich um ein "im Laiensinne neues Fahrzeug", sei jedoch nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Das Landgericht habe zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über ein "Neufahrzeug" nicht vorgelegen habe. Eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung sei jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der Tatsache, dass der Pkw in der Ausschreibung als Neufahrzeug mit einer Laufleistung von 5 km beworben wurde - konkludent erfolgt. Dies sei unzutreffend, da das Fahrzeug, wie sich aus den Zulassungsbescheinigungen Teil 1 und Teil 2 ergebe, im Jahr 2016 produziert worden sei. Darüber hinaus sei die Rechtsprechung zur Tageszulassung (BGH, NJW 2005, 1422) anwendbar.
B. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Denn die Klägerin kann von der Beklagten die Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages gemäß §§ 346, 437 Nr. 1, 323, 326 Abs. 5 BGB nicht verlangen.
I. Das Landgericht ging zutreffend davon aus, dass die Klägerin - trotz der entsprechenden...