Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 31.01.1994; Aktenzeichen 1 O 2347/93)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 31. Januar 1994 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Beschwer des Klägers beträgt 48.000,00 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

48.000,00 DM

festgesetzt.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

(Im Berufungsverfahren hat keine Beweisaufnahme stattgefunden).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 511 ff ZPO.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache selbst Erfolg.

I.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger im Streitfall aus der abgeschlossenen Berufs-Haftpflichtversicherung Deckungsschutz zu gewähren.

1. Nach den zum Gegenstand des Versicherungsvertrags gemachten Besonderen Bedingungen für die Beruf-Haftpflichtversicherung von Architekten und Bauingenieuren (BR AI) umfaßt der Versicherungsschutz Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden (Ziffer II 1 BR AI).

2. Versicherungsfall in der Berufs-Haftpflichtversicherung der Bauingenieure ist demnach – anders als in der gewöhnlichen Haftpflichtversicherung (§§ 1 Ziffer 1, 5, Ziff. 1 AHB) – nicht das Schadensereignis, sondern der in den Versicherungszeitraum fallende „Verstoß”, für dessen Folgen ein Dritter den Versicherungsnehmer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. Schmalzl, Berufshaftpflicht der Architekten und Bauunternehmer, NJW-Schriftenreihe, RZ. 247; Späte, Haftpflichtversicherung, Rz. 28 und 31 zu § 1 AHB). Dabei wird unter dem maßgeblichen Verstoß stets das erste fehlerhafte Verhalten des Architekten oder Bauingenieurs verstanden, welches in unmittelbarer Kausalkette den Schaden herbeigeführt hat (vgl. Schmalzl a.a.O., Rz. 251; Späte a.a.O., Rz. 28). Bei diesem einen Verstoß bleibt es auch dann, wenn der Architekt oder Bauingenieur die Möglichkeit und die Rechtspflicht gehabt hätte, ihn im weiteren Verlauf zu berichtigen und damit seine schädliche Auswirkung abzuwenden. Hat deshalb der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten einen Haftungsgrund gesetzt und es später unterlassen, den Eintritt eines Schadens zu verhindern, so ist das bloße Unterlassen des Verhinderns des Schadenseintritts kein neues, selbständiges Kausalereignis (vgl. Späte, a.a.O.). Das sich fortlaufend wiederholende Nichterkennen des ersten und für den Versicherungsfall relevanten Verstoßes stellt deshalb keinen neuen Verstoß dar, der als neuer, selbständiger Versicherungsfall gewertet werden könnte (vgl. Schmalzl a.a.O.).

Musterbeispiel hierfür ist der häufige Fall, daß der mit den Leistungen nach § 15 HOAI beauftragte Architekt oder Bauingenieur bei der Vorplanung einen Fehler gemacht hat und ihn in den folgenden Leistungsphasen nicht bemerkt (vgl. Schmalzl, a.a.O.).

3. Im Streitfall liegt der dem Kläger anzulastende relevante erste Verstoß gegen seine Berufspflichten bereits in der ersten Phase der Objektplanung, nämlich in der Fertigung eines unrichtigen Aufmaßes (Grundlagenermittlung nach § 15 Ziffer 1 HOAI). Dies ist zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht nicht umstritten.

Der Umstand, daß dieser Fehler in den nachfolgenden Leistungsphasen fortgewirkt hat, vom Kläger pflichtwidrig nicht beseitigt wurde und sich schließlich als Mangel im körperlichen Bauwerk niedergeschlagen hat, ist rechtlich unerheblich (Schmalzl a.a.O. Rz. 251).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann im Rahmen der „Verstoßtheorie” deshalb nicht entscheidend sein, daß das falsche Aufmaß als solches noch keinen Schaden verursacht hat. Es ist als ausreichend zu erachten, daß das fehlerhafte Aufmaß als Erstursache für den späteren Schaden adäquat kausal war.

4. Damit erweist sich die Klage als unbegründet.

Sie ist deshalb unter Abänderung des Ersturteils abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über den Wert der Beschwer erfolgt gem. § 546 Abs. 2 ZPO.

V.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, § 546 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Stößel Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Horn Richter am Oberlandesgericht, Krauß Richter am Oberlandesgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 951445

BB 1994, 2378

BB Heft 34, , S. 2378

VersR Heft 36/94, , S. 1462

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