Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 13.03.1995; Aktenzeichen 24 O 1241/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 13. März 1995 abgeändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Wert der Beschwer für den Kläger beträgt
10.760,27 DM.
Beschluß:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf
10.760,27 DM
festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Eine Beweisaufnahme hat im zweiten Rechtszug nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Auch in der Sache selbst hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Beklagte braucht die einbehaltenen 10.760,27 DM nicht an den Kläger weiterzuleiten; denn sie hat gegen die Forderung des Klägers mit einer gleichhohen Gegenforderung wirksam aufgerechnet (§ 389 BGB).
I.
Der Gegenanspruch der Beklagten folgt aus der Pflicht des Klägers, der Beklagten zusätzlich zur vertraglich vereinbarten Verwalter-Vergütung einen Aufschlag in Höhe der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu entrichten. Dieser Anspruch der Beklagten läßt sich zwar – entgegen der Auffassung der Beklagten – weder mit einer ergänzenden Vertragsauslegung begründen noch mit einer nachträglichen Einigung. Insoweit ist dem Landgericht beizupflichten (Seiten 7–8 f. der Urteilsgründe). Anders als das Landgericht hält es aber der Senat für ein Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), daß sich der Kläger dem Wunsch der Beklagten nach Anpassung der ursprünglich vereinbarten Verwalter-Vergütung nicht verschließt. Hierfür sind folgende Erwägungen ausschlaggebend:
1) Zwischen den Parteien bestand bis zur Steuernachforderung durch das Finanzamt Einigkeit, daß es sich bei der Verwalter-Vergütung um Nettobeträge handelte, die aufgrund des mit den Vereinigten Staaten geschlossenen „Offshore-Abkommens” nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Folgerichtig stellte die Beklagte jahrelang keine Umsatzsteuer in Rechnung und führte auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Umgekehrt zahlte der Kläger keine Mehrwertsteuer an die Beklagte, verlangte von ihr keine Ausweisung der Mehrwertsteuer in ihren Rechnungen und machte keinen Vorsteuerabzug beim Finanzamt geltend. Beiden Parteien schien es vielmehr klar, daß der Beklagten die vertraglich vereinbarte Verwalter-Vergütung ungeschmälert zustehen sollte und vom Kläger in voller Höhe getragen werden mußte.
2) Für beide Seiten überraschend kam dann 1994 die Steuernachforderung des Finanzamts, das sich auf den Standpunkt stellte, die Beklagte erbringe ihre Verwalterleistungen nicht mehr für die US-Streitkräfte (nur dann wären sie umsatzsteuerfrei geblieben), sondern für die privaten Wohnungsvermieter. Mit dieser Entwicklung hatte bei Vertragsabschluß und bei der Kalkulation der Verwalter-Vergütung keine der beiden Parteien gerechnet. Es liegt somit ein beiderseitiger Kalkulationsirrtum vor.
a) Haben sich bei Vertrags Schluß beide Parteien über einen für ihre Willensbildung wesentlichen Umstand gemeinsam geirrt, sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage anwendbar (BGHZ 25, 392; NJW 1972, 153; 1976, 566; Palandt-Heinrichs, BGB, 54. Auflage, § 242 Rdnrn. 149 f., § 119 Rdnr. 21). Das gilt auch für einen Irrtum in der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts (BGHZ 25, 392), etwa für einen Irrtum über steuerliche Fragen (BGH JR 1978, 236 mit Anmerkung Olzen; WM 1990, 1323, Palandt-Heinrichs a.a.O., § 242 Rdnr. 150 m.w.N.; Peusquens NJW 1974, 1644 ff.; BB 1975, 1367 ff.). Voraussetzung ist freilich, daß die unerwartete Veränderung nicht ausschließlich in den Risikobereich einer Partei fällt (Palandt-Heinrichs a.a.O.).
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der gemeinsame Irrtum über die Umsatzsteuerpflicht betrifft die Bemessungsgrundlagen der Vergütung, somit einen wesentlichen Bestandteil des Verwaltervertrages. Der Betrag, um den es hierbei geht, fällt durchaus ins Gewicht; immerhin macht er rund 1/7 des vereinbarten Verwalter-Lohnes aus. Bezieht man schließlich noch die möglichen Rechtsfolgen in die Abwägung ein, so ist kein Grund dafür ersichtlich, das Risiko des gemeinsamen Kalkulationsirrtums ausschließlich der Beklagten aufzubürden. Im Gegenteil, die Nachzahlung der Mehrwertsteuer ist dem Kläger eher zuzumuten als umgekehrt der Beklagten ein Verzicht auf eine Aufstockung des Verwalter-Lohnes. Dies zeigt ein Vergleich der Lage mit und ohne Nachzahlung der Mehrwertsteuer.
Der Kläger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Deshalb belastet ihn die Nachzahlung der Mehrwertsteuer wirtschaftlich nicht (abgesehen von möglichen Zinsnachteilen, die aber weder konkret vorgetragen sind noch nennenswert ins Gewicht fielen). Was er an Umsatzsteuer nachentrichten soll, hat er – unstreitig – inzwischen vom Finanzamt als Vorsteuer erstattet bekommen. Im Ergebnis steht der Kläger also aufgrund seiner Nachzahlung nicht besser da, aber auch nicht schlechter, als er...