Leitsatz (amtlich)
1. Ein 7 Jahre altes Kind ist jedenfalls dann in der Lage vorherzusehen, dass ein in Richtung eines an einer Hauseingangstür stehenden Kindes abgegebener Schuss mit einem Ball zur Beschädigung der dort angebrachten Außenlampe führen kann, wenn es von seinen Eltern zuvor auf solche Gefahren ausdrücklich hingewiesen worden ist.
2. Darauf, ob auch die weitere Schadensentwicklung - Augenverletzung durch von der Außenlampe herabfallende Glassplitter - vorhersehbar war, kommt es für die Haftung nicht an.
Normenkette
BGB § 276 Abs. 2, § 828 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 5 O 2259/05) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG Regensburg vom 16.12.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.277,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit des Beklagten für eine Augenverletzung des Klägers.
Der Kläger, geb. 1996 und der Beklagte, geb. 1995 bewohnen, jeweils gemeinsam mit ihren Eitern, je eine Doppelhaushälfte in K.S.-straße. Gemeinsam mit anderen Nachbarskindern hatten sie des öfteren im Bereich der neben den Häusern gelegenen Abfahrt zu den etwas unterhalb. des Straßenniveaus gelegenen Garagen Fußball gespielt. Der Vater des Beklagten hatte ihnen jedoch das Fußballspielen an dieser Stelle mit der Begründung untersagt, die an der Garage befindliche Außenbeleuchtung könne dabei beschädigt werden. Am 5.10.2002 spielte der Beklagte daher mit einigen anderen Kindern auf einer Freifläche vor den beiden Anwesen. Sie benutzten dabei einen dem Kläger gehörenden Ball - ob der Kläger selbst mitspielte, blieb streitig. Als der Kläger von seiner Mutter ins Haus gerufen wurde, wollte er seinen Ball mitnehmen und verlangte diesen zurück. Der Beklagte schoss den Ball darauf nach einigem Zögern in die Richtung des bereits unmittelbar an der Hauseingangstür stehenden Klägers. Der Ball traf nach Auskunft des Beklagten zunächst das Treppengeländer des dortigen Hauszugangs und prallte dann an die neben der Türe angebrachte Außenleuchte. Aufgeschreckt durch das Geräusch des splitternden Glases schaute der Kläger nach oben. In diesem Moment traf ein von der Lampe herab fallender Glassplitter genau in das rechte Auge des Klägers und verletzte dieses schwer.
Der Kläger erlitt eine perforierende Hornhaut/Irisverletzung und musste in der Universitäts-Augenklinik Regensburg operiert werden. Die stationäre Behandlung dauerte vom 5. bis zum 11.10.2002; am 24.6.2003 wurden die Fäden unter Vollnarkose entfernt. Seit dem streitgegenständlichen Vorfall muss der Kläger regelmäßig augenärztlich behandelt werden und eine Brille tragen. Am 15.9.2005 wurde ein beginnender Cataract festgestellt. Es besteht die Gefahr einer Netzhautablösung und des Entstehens einer Nachtblindheit.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei bei der Verletzungshandlung im Rechtssinne einsichtsfähig gewesen und habe auch schuldhaft gehandelt. Er hat die Bezahlung eines Schmerzensgeldes, den Ersatz von Heilbehandlungskosten sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.
Der Beklagte hat dagegen gemeint, im Tatzeitpunkt noch nicht deliktsfähig gewesen zu sein, zumindest aber nicht fahrlässig gehandelt zu haben, weil er die unglücklichen Folgen seines Schusses nicht habe vorhersehen können.
Das Erstgericht hat den Beklagten mit Endurteil vom 16.12.2005, auf das zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, antragsgemäß u.a. zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR verurteilt. Es hat den Beklagten sowohl für einsichtsfähig gehalten, wie sein Verhalten als fahrlässig eingestuft.
Gegen dieses ihm am 21.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17.1.2006 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 21.2.2006 begründet.
Der Beklagte macht geltend, ihm habe die notwendige Einsichtsfähigkeit gefehlt, weil seine allenfalls allgemein vorhandene Kenntnis von der möglichen Gefährlichkeit seines Schusses durch die Konzentration auf das Spiel und den hiermit einhergehenden kindlichen Übermut überlagert worden sei. Auch habe er nicht fahrlässig gehandelt. Das schädigende Verhalten sei, bedingt durch die Motorik des Spieltriebes, für ihn nicht vermeidbar, das schädigende Ereignis nicht vorhersehbar gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 20.2.2006 Bezug genommen.
Der Beklagte stellt folgenden Antrag:
Das Urteil des LG Regensburg vom 16.12.2005 - 6 O 2259/05 - wird aufgehoben, die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insb. darauf hin, dass der schadensverursachende Schuss keineswegs "aus dem Spiel heraus" abgegeben worden sei. Die Kenntnis des B...