Leitsatz (amtlich)
Allein die ausgedehnte Überdachung eines Großparkplatzes reicht für eine analoge Anwendung des § 10 StVO auf den Bereich der Einmündung einer Parkgasse in den umlaufenden Zu- und Abfahrtsweg jedenfalls dann nicht aus, wenn gerade die Parkgassen von der Überdachung ausgenommen sind.
Normenkette
StVG §§ 7, 17-18; StVO §§ 1, 8, 10
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 27.11.2013; Aktenzeichen 3 O 1095/13 (1)) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Regensburg vom 27.11.2013 abgeändert.
II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 4.529,41 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2013 sowie weitere 489,45 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.6.2013 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden für die erste Instanz gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 7/13 und die Klägerin 6/13.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren zunächst auf 6.794,11 EUR und ab dem 3.2.2014 auf 2.264,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall.
Am 31.1.2013 fuhren der Ehemann der Klägerin mit dem Pkw der Klägerin und der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf dem Großparkplatz eines Einkaufsmarktes in Regensburg, an dessen Zufahrt ein Schild auf die Geltung der StVO hinweist. Über den Parkplatz verläuft eine Reihe von parallelen einspurigen Fahrwegen, an deren beiden Seiten jeweils auf ganzer Länge die Stellplätze nebeneinander angeordnet sind. Der Stellplatzbereich ist - mit Ausnahme der Fahrwege - überdacht. Um den Stellplatzbereich herum führt ein etwa 6 m breiter, zur Benutzung in beiden Fahrtrichtungen freigegebener Fahrweg, der nur der Zu- und Abfahrt dient und in den die eigentlichen Parkgassen einmünden. Als der Beklagte zu 1 aus einer der Parkgassen hinausfuhr, stieß er mit dem klägerischen Pkw zusammen, der auf dem äußeren Fahrweg, aus Sicht des Beklagten zu 1 von links kommend, gerade den Einmündungsbereich passierte. Der Klägerin entstand durch den Unfall ein Schaden (Reparaturkosten, Wertminderung, Gutachterkosten, Auslagenpauschale) von insgesamt 9.058,81 EUR.
Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG Regensburg vom 27.11.2013 Bezug genommen. Mit diesem Urteil ist der auf vollen Ausgleich des vorstehend bezifferten Schadens und Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten gerichteten Klage auf der Grundlage einer Haftungsquote der Beklagtenseite von 3/4 überwiegend stattgegeben worden. Hiergegen haben die Beklagten Berufung eingelegt.
Zunächst haben die Beklagten ihr erstinstanzliches Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 3.2.2014 ist die Berufung in Höhe desjenigen Anteils der ausgeurteilten Beträge zurückgenommen worden, der sich bei Annahme einer eigenen Haftungsquote von 1/2 ergibt. Die Beklagten greifen die vom LG vorgenommene analoge Anwendung des § 10 StVO an, ohne die aus ihrer Sicht eine höhere als die durch die Teil-Rücknahme prozessual akzeptierte hälftige Haftungsquote nicht in Betracht komme.
Die Beklagten beantragen zuletzt, das angefochtene Urteil des LG Regensburg abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit dem Kläger [richtig: der Klägerin] mehr als 4.529,41 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.3.2013 sowie mehr als 489,45 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.6.2013 zugesprochen wurden.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Hinweis des Senats vom 4.6.2014 und die Sitzungsniederschrift vom 7.7.2014 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist in ihrem nach der Teil-Rücknahme noch zur Entscheidung offenen Umfang begründet. Der Ansatz einer Haftungsquote der Beklagtenseite von mehr als 1/2 ist nicht gerechtfertigt, da der Beklagte zu 1 - anders als vom LG angenommen - nicht gegen die in § 10 StVO normierten Sorgfaltspflichten verstoßen hat.
1. Die Beklagten sind der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet (§ 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG; § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG), jedoch nicht über die hälftige Quote hinausgehend, die als Folge der Berufungsbeschränkung bereits rechtskräftig festgeschrieben ist.
a) Dem Beklagten zu 1 ist keine Missachtung eines aus dem Rechtsgedanken des § 10 StVO abgeleiteten Vorfahrtsrechts anzulas...