Leitsatz (amtlich)
Bei Fentanyl beginnt die "nicht geringe Menge" im Sinne von BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 bei 75 Milligramm Wirkstoffmenge.
Normenkette
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 29.06.2012) |
Tenor
I.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Juni 2012 werden als unbegründet verworfen.
II.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Staatskasse. Seine Auslagen im Revisionsverfahren hat der Angeklagte selbst zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 28.2.2012 wurde der Angeklagte wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen richteten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.6.2012 wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen; auf die Berufung des Angeklagten wurde das vorgenannte Urteil im Strafmaß dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hatte der Angeklagte, ohne die Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Umgang mit Betäubungsmitteln zu besitzen, am 9.11.2010 dem früheren Patienten K drei Fentanylpflaster übergeben. Diese enthielten jeweils eine Wirkstoffmenge an Fentanyl von 14,4 mg, insgesamt also 43,2 mg Fentanyl. Die Abgabe (und vorherige Verschreibung) des Fentanyl-Pflasters erfolgte aufgrund der Angaben des Patienten K, der über Schmerzen am Rücken und in den Muskeln klagte, ohne irgendwie näher geartete Anamnese oder Erkundigung nach anderen, vorher eingenommenen Medikamenten oder Nachfrage nach vorangegangener ärztlicher Behandlung.
Das Landgericht ging bei der festgestellten Menge von 43,2 mg Fentanyl nicht von der Überschreitung des Grenzwertes für die nicht geringe Menge aus, wobei es diesen Grenzwert mit 50 mg aufgrund eines Vergleichs mit Wirkweise und Wirkungsgrad von Heroin ermittelte.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit ihrer am 3.7.2012 eingegangenen Revision im Schriftsatz vom 2.7.2012. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet insbesondere die Verneinung des Vorliegens einer nicht geringen Menge, wobei sie die Auffassung vertritt, der relevante Grenzwert liege bei 15 mg Fentanyl. Analog der Bestimmung des Grenzwerts für Heroin sei, bezogen auf den Drogenunerfahrenen, die äußerst gefährliche Dosis auf 0,5 mg Fentanyl festzusetzen. Bei Multiplikation mit der auch für Heroin anzuwendenden Maßzahl von 30 ergebe sich sodann der Grenzwert für die nicht geringe Menge von 15 mg. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze der Staatsanwaltschaft vom 2.7.2012 und vom 17.3.2013, denen die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beitrat, Bezug genommen
Der Angeklagte legte ebenfalls Revision ein mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2.7.2012, eingegangen bei Gericht am 3.7.2012. Er erhebt die allgemeine Sachrüge.
Nach Vorlage der Akten durch die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg und Stellungnahme durch den Verteidiger zur staatsanwaltschaftlichen Revision hat der Senat mit Beschluss vom 14.1.2013 ein Sachverständigengutachten zur Wirkweise und dem Wirkungsgrad, sowie zur Feststellung der äußerst gefährlichen Dosis, bzw. zur typischen Konsumeinheit bei Fentanyl durch die Sachverständige Dr. med. Z erholt, für dessen Inhalt auf das schriftliche Gutachten vom 27.2.2013 Bezug genommen wird. Darüber hinaus hat die mündliche Anhörung der Gutachterin im Revisionshauptverhandlungstermin vom 29.4.2013 stattgefunden.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten bleiben jeweils ohne Erfolg, weil die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten ergeben hat. Das Landgericht hat den Grenzwert für die nicht geringe Menge im Ansatz zutreffend mittels Vergleichs zwischen Fentanyl und Heroin ermittelt und dabei zu Recht auf den opiatgewohnten Nutzer abgestellt. Der Senat bestimmt - sachverständig beraten - den Grenzwert aber nicht auf 50 mg, sondern auf 75 mg Fentanyl.
Fentanyl gehört zu den hochwirksamsten und gefährlichsten Drogen überhaupt. Die tödliche Dosis Fentanyl für den Nicht-Opiatgewohnten liegt bei 500 µg (1.).
Auf diesen Wert kann für die Bestimmung der "nicht geringen Menge" nicht zurückgegriffen werden. Wegen der Besonderheiten des Fentanylmissbrauchs in der Drogenszene ist entgegen dem üblichen Verfahren zur Bestimmung der "nicht geringen Menge" (vgl. BGHSt 32, 162 - Heroin; BGHSt 35, 179 - Morphin; Weber BtMG 3. Aufl., § 29 a Rn. 70) nicht auf den Konsumanfänger (vgl. BGHSt 51, 318), sondern auf den opiaterfahrenen Nutzer abzustellen, weil Fentanyl - nach derzeitigem Erkenntnisstand - nur ...