Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Schadensersatz gegen unbekannte Erben bei bestehender Nachlasspflegschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Der Nachlasspfleger begeht keine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn er unstreitige Ansprüche des Vermächtnisnehmers nicht befriedigt, sofern die Möglichkeit besteht, dass ein Pflichtteilsberechtigter durch die Befriedigung des Anspruches gemäß § 2322 BGB überlastet wäre.
2. Die Übertragung eines Grundstückes durch den Nachlasspfleger, bedarf gemäß §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich der Genehmigung des Nachlassgerichtes.
3. Der Nachlasspfleger hat nicht gezogene Nutzungen aus der Erbmasse vor Verzug oder Rechtshängigkeit bezüglich solcher Ansprüche nicht zu ersetzen.
4. Sofern vor Verzug oder Rechtsgängigkeit Nutzungen durch unbekannte Erben vertreten durch den Nachlasspfleger nicht gezogen werden, so kommt es für ihr Verschulden gemäß § 278 BGB allein auf das Verschulden des Nachlasspflegers als gesetzlichen Vertreter an.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 17.09.2015; Aktenzeichen 7 O 10415/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.09.2015 in Ziffer II und III des Tenors aufgehoben und in Ziffer IV wie folgt neu gefasst:
Die Klageanträge Ziffer II bis V werden abgewiesen.
II. Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, an das Landgericht zurückgegeben.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Am ... 2009 verstarb ... (im Folgenden: Erblasser). Mit handschriftlichem Testament vom 09.12.2002 hatte er verfügt, dass seine Nichte, die Klägerin, sein Grundstück mit Haus in der ... 5 in ... bekommen solle; für den übrigen Nachlass hatte er seine zweite Ehefrau (im Folgenden: Witwe) als Alleinerbin eingesetzt.
Die Klägerin erhob zunächst Klage gegen die Witwe, unter anderem mit dem Antrag, sie zu verurteilen, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen (Landgericht Nürnberg-Fürth, Az.: 7 O 9858/09). Die Witwe schlug am 28.05.2010 das Erbe aus. Die Klage wurde deswegen mit Urteil vom 04.08.2010 abgewiesen; die Berufung und eine anschließende Verfassungsbeschwerde der Klägerin - mit der sie das Recht der Witwe zur Ausschlagung anzweifelte - blieben ohne Erfolg.
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Hersbruck vom 22.09.2011 wurde eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben" angeordnet. Zum Nachlasspfleger bestellte das Nachlassgericht zunächst Rechtsanwalt Dr. .... Die Klägerin und der Prozessvertreter der Beklagten stimmen darin überein, dass Dr. ... seine Pflichten zur Erbenermittlung und Sicherung des Nachlasses vernachlässigte. Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 19.12.2013 wurde Dr. ... entlassen und Rechtsanwalt ... als neuer Nachlasspfleger bestellt (vgl. Anlage Bekl. zu Bl. 368).
Die Witwe erhob noch im Jahr 2011 gegen die unbekannten Erben Klage auf Zahlung eines restlichen Pflichtteils in Höhe von 36.298,89 EUR nebst Zinsen (Landgericht Nürnberg-Fürth, Az.: 7 O 10652/11). Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits blieb in erster Instanz unstreitig, dass die Witwe vor Klageerhebung bereits vorhandenes Barvermögen, Bankguthaben und Wertgegenstände des Erblassers an sich genommen hatte und dass im Zeitpunkt der Klage außer dem Grundstück samt Haus in der ... 5 kein nennenswertes Nachlassvermögen mehr vorhanden war, aus dem der eingeklagte Pflichtteilsanspruch hätte erfüllt werden können. Mit Schlussurteil vom 22.04.2015 wies das Landgericht die Klage der Witwe ab. Das Landgericht nahm an, etwaige Pflichtteilsansprüche der Witwe seien verjährt. Ihre gegen das Urteil gerichtete Berufung nahm die Witwe auf Hinweis des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 02.02.2016 (2 U 922/15) am 16.02.2016 zurück.
Nach Abweisung ihrer Klage gegen die Witwe (in dem oben erwähnten Rechtsstreit 7 O 9858/09) forderte die Klägerin die Beklagten über den Nachlasspfleger auf - der genaue Zeitpunkt blieb zwischen den Parteien streitig -, das Vermächtnis zu erfüllen. Sie nimmt die Beklagten nunmehr mit ihrer Klage vom 31.12.2013 auf Übertragung des Eigentums am Grundstück ... 5 sowie Ersatz entgangenen Mietzinses und getätigter Aufwendungen in Anspruch.
Der (neu bestellte) Nachlasspfleger Rechtsanwalt ... beantragte am 19.02.2015 die Zustimmung des Nachlassgerichts zur Übereignung des Hauses gegen Sicherheitsleistung an die Klägerin. Nach Erlass des Schlussurteils im Rechtsstreit der Witwe gegen die Beklagten bat er sodann am 24.04.201...