Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn das zum 01.12.2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz für die Anwendung von § 9a Abs. 2 WEG keine Übergangsvorschrift enthält, führt dies nicht zu einer Nichtigkeit von vormals auf der Grundlage von § 10 Abs. 6 Satz 3, 2. Alt. WEG a. F. wirksam zustande gekommenen Beschlüssen. Es gilt insofern der allgemeine Grundsatz, dass für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts die bei seinem Abschluss bestehenden Regeln und Umstände maßgeblich sind, weil Wirksamkeitshindernisse von den Parteien nur in diesem Zeitpunkt beachtet werden können.
2. Weil den Wohnungseigentümern nach § 9a Abs. 2 WEG keine gekorene Ausübungsbefugnis mehr zusteht, besitzen sie keine Entscheidungskompetenz über die Vergemeinschaftung an sich den Wohnungseigentümern zustehender Rechte. Ein dennoch gefasster Beschluss ermächtigt nicht zur Prozessführung.
Normenkette
WEG § 9a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 07.07.2021; Aktenzeichen 12 O 6666/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen, soweit diese die Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.07.2021, Az. 12 O 6666/20, und
1. in Prozessstandschaft die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe von Unterlagen beantragt hat;
2. die Feststellung verlangt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr auch diejenigen sonstigen Schäden zu ersetzen, die auf den von den Sachverständigen Sch. und St. festgestellten Mängeln beruhen.
II. Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin hin das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.07.2021, Az. 12 O 6666/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung vorbehalten bleibt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 361.098,90 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, verlangt von der Beklagten als Bauträgerin Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum bzw. zu dessen Fertigstellung, die Erstattung von Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten, die Herausgabe von Unterlagen betreffend die Herstellung des Gebäudes sowie die Feststellung, dass die Beklagte für weitere Mangelbeseitigungskosten und -schäden einzustehen hat.
In der ersten Instanz hat sich die Klägerin auf eine Ermächtigung zur Prozessführung durch Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.10.2018 (Anlage K16) unter dem "TOP 7 Geeignete Beschlüsse der WEG in Bezug auf die Fertigstellung des Objekts und die Mängelbeseitigung, bspw. zur Selbstvornahme, in Abhängigkeit von den Ausführungen des Rechtsanwaltes" berufen, der wie folgt lautet:
"Die Eigentümer der B Straße 14 + 14a beschließen namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Fertigstellung- und Mängelbeseitigungsansprüche aus den Bauträgerverträgen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums an sich zu ziehen. Die Hausverwaltung wird mit der gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums beauftragt. (...)."
Im Berufungsverfahren stützt die Klägerin sich auch auf einen weiteren Ermächtigungsbeschluss der Eigentümerversammlung vom 29.07.2021 (Anlage K18). Darüber hinaus beruft sie sich auf die Abtretung der sich aus dem jeweiligen Bauträgervertrag ergebenden Ansprüche dreier Käufer auf vollständige und mangelfreie Errichtung des Vertragsgegenstandes bezogen auf das Gemeinschaftseigentum vom August 2021 (Anlage K19.1 - K19.2).
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 07.07.2021 (Bl. 74 ff. d. A.) sowie die dortige Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit dem Argument als unzulässig abgewiesen, dass die Klägerin nicht prozessführungsbefugt sei. Der zur Begründung der Prozessstandschaft der Klägerin für die Geltendmachung von Fertigstellungs- und Mängelbeseitigungsansprüchen erforderliche Ermächtigungsbeschluss sei mangels inhaltlicher Bestimmtheit unwirksam. So seien zwei Auslegungsmöglichkeiten denkbar, ohne dass sich ein eindeutiger Regelungsgehalt ermitteln lasse. Entweder könne der Beschluss so verstanden werden, dass alle denkbaren Mängel am Gemeinschaftseigentum vergemeinschaftet werden sollten. Insoweit sei allerdings fraglich, ob die Wohnungseigentümer einen so weitreichenden Beschluss tatsächlich hätten fassen wollen. Oder aber der Beschluss könne so ausgelegt werden, dass die Vergemeinschaftung nur die Mängel betreffen habe sollen, die in den im weiteren Beschlusstext genannten Mängellisten beschrieben würden.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Sie ist der Auffassung, dass bereits der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28.10.2018 eine ausreichende Ermächtigung darstelle. Er beziehe sich auf sämtliche Herstellungs- und Mängelansprüche betreffend das Gemeinschaftseigentum ...