Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage wegen Doppelehe durch die Staatsanwaltschaft nach § 24 EheG kann unzulässig sein, wenn die frühere Ehe wirksam geschieden ist und die spätere – im Ausland (hier: Polen) – geschlossene Ehe nach dem gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für einen Partner maßgeblichen ausländischen (hier: polnischen) Recht wirksam ist und einer Nichtigkeitserklärung nicht (mehr) zugänglich wäre.
Normenkette
EheG §§ 5, 20, 23-24; EGBGB Art. 13 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Urteil vom 27.02.1997; Aktenzeichen 5 F 1277/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 27. Februar 1997 abgeändert.
II. Die Klage der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth wird abgewiesen.
III. Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
4.000,00 DM
festgesetzt (§ 12 Abs. 2 GKG).
Tatbestand
Die beiden Beklagten haben am 25. Dezember 1993 in der Volksrepublik Polen in Warschau die Ehe geschlossen, deren Nichtigerklärung die Klägerin im vorliegenden Verfahren verlangt.
Die am 14. August 1946 in Polen geborene Beklagte zu 1) besitzt die polnische Staatsangehörigkeit. Sie hält sich seit 1989 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Beklagte zu 2), der ebenfalls – jedenfalls auch – polnischer Staatsangehöriger ist, wurde am 25. Oktober 1953 in Cieszyn (ehemals: Teschen) in der Volksrepublik Polen als eheliches Kind seiner Eltern geboren. Sein Großvater und sein Vater waren deutsche Volkszugehörige und haben durch die Eintragung in die deutsche Volksliste gemäß der Verordnung über die deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. März 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Sie haben diese nicht ausgeschlagen. Am 28. August 1976 heiratete der Beklagte zu 2) vor dem Standesbeamten in Cieszyn die polnische Staatsangehörige B. S.. Aus dieser Ehe sind zwei am 31. Januar 1977 und 1. Mai 1978 geborene Kinder hervorgegangen.
1990 übersiedelte der Beklagte zu 2) in die Bundesrepublik Deutschland. Unter dem 30. Mai 1990 wurde ihm vom Landratsamt Bayreuth ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt (vgl. Bl. 5 d.A.). Am 24. März 1993 erhielt der Beklagte zu 2) von der Stadt Regensburg einen deutschen Paß.
Mit Urteil des Woiwodschaftlichen Gerichts in Bielsko-Biala in Polen vom 5. Oktober 1993 (vgl. Bl. 9–11 d.A.) wurde auf Antrag des Beklagten zu 2) dessen Ehe mit B. M., geb. S., geschieden. Das Urteil ist rechtskräftig.
Noch bevor die beiden Beklagten am 25. Dezember 1993 in Warschau heirateten, war am 25. November 1993 beim Amtsgericht – Familiengericht – in Regensburg ein Antrag der – zwischenzeitlich in Regensburg wohnhaften – B. M., ge. S., auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für einen Antrag auf Scheidung ihrer am 28. August 1976 geschlossenen Ehe mit dem Beklagten zu 2) eingegangen. Nachdem das Bayerische Staatsministerium der Justiz auf Antrag der ersten Ehefrau des Beklagten zu 2) mit Entscheidung vom 31. August 1995 gemäß Art. 7 § 1 des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 11. August 1961 festgestellt hatte, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des Scheidungsurteils des Gerichtes in Bielsko-Biala vom 5. Oktober 1993 nicht gegeben sind, soweit dieses auf Scheidung lautet (vgl. Bl. 11–15 d.A.), sprach das Amtsgericht Regensburg im Verfahren B. M. gegen den Beklagten zu 2) mit Endurteil vom 16. Oktober 1995 die Scheidung der am 28. August 1976 geschlossenen Ehe aus. Das Urteil wurde insoweit durch Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig.
Mit ihrer am 11. Juni 1996 beim Amtsgericht Nürnberg eingegangenen Klage vom 5. Juni 1996 und in den folgenden Schriftsätzen hat die Klägerin geltend gemacht, daß
- der Beklagte zu 2) spätestens seit dem 30. Mai 1990 auch die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt habe,
- seine Fähigkeit zur Eheschließung am 25. Dezember 1993 deshalb nach deutschem Recht zu beurteilen sei,
- die Scheidung der ersten Ehe des Beklagten zu 2) durch das polnische Gericht vom 5. Oktober 1993 im Hinblick auf die Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 31. August 1995 in der Bundesrepublik nicht anzuerkennen sei und
- die Eheschließung der Beklagten vom 25. Dezember 1993 wegen der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden ersten Ehe des Beklagten zu 2) deshalb nichtig sei.
Die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens liege wegen der dadurch eintretenden Rechtssicherheit bereits im Interesse der beiden Beklagten. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Interesse daran, die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen zwei Personen, die durch eine gesetzwidrige Doppelheirat entstanden seien, nicht aufrechtzuerhalten, sondern klarzustellen. Die Klägerin hat beantragt,
die zwischen den Beklagten am 25. Dezember 1993 in der. Volksrepublik Polen in Warschau geschlossene Ehe für nichtig zu erklären.
Die Be...