Leitsatz (amtlich)

1. Der unterlegene Bieter kann bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des Schwellenwertes nach Zuschlagserteilung nicht im Wege der einstweiligen Verfügung in das dann begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber eingreifen. Ein Primärrechtsschutz ist in diesen Fällen ausgeschlossen.

2. Bei der Prüfung von Rechtsfragen im Rahmen von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 13 GVG, Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG, für die die Zivilgerichte zuständig sind.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Beschluss vom 19.08.2008; Aktenzeichen 12 O 2039/08)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird gem. § 568 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Osnabrück vom 19.8.2008 wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

III. Der Streitwert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Verkehrsgesellschaft Landkreis O. GmbH hat am 23.7.2008 den Schülertransport zu zwei Schulen in B. (Landkreis O.) mit einem Auftragsvolumen von 60.000 EUR ausgeschrieben. Es handelt sich dabei um individuelle Beförderungen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin um eine Erhöhung der Kilometerentgelte, die keine Einigung erbrachten. Die Antragstellerin hat zuvor 28 Jahre lang die Schülerbeförderung auf den ausgeschriebenen Strecken zur Zufriedenheit der Beteiligten durchgeführt.

Die Antragstellerin hat bei beiden Beförderungsstrecken das drittgünstigste Hauptangebot abgegeben (Preis: 0,68 EUR/km). Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin am 7.8.2008 telefonisch mit, dass sie die günstigeren Nebenangebote der Fa. K. (0,54 EUR/km) für die eine Strecke und der Fa. N.(0,60 EUR/km) für die andere Strecke annehmen möchte. Am gleichen Tage erteilte die Antragsgegnerin dem Ausschreibungsergebnis entsprechend diesen beiden Firmen den Zuschlag, die seit Schuljahresbeginn die Beförderungsfahrten durchführen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der erteilte Zuschlag auf die Nebenangebote sei nach VOL/A nicht zulässig, da die Nebenangebote nicht gleichwertig seien. Die Antragsgegnerin habe die Interessen der Antragstellerin entgegen § 13 Abs. 3 PBefG nicht angemessen berücksichtigt. Die besondere Eignung des Personals und der Fahrzeuge der Antragstellerin für die Beförderungsfahrten gebiete es, nur dieser den Zuschlag zu erteilen.

Im Wege einer einstweiligen Verfügung hat die Antragstellerin am 19.8.2008 beim LG Osnabrück beantragt,

die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, den Transport der schwerbehinderten Schüler ab dem 21.8.2008 wie auch bisher für die E.-Schule und die A.-Schule in B. weiterhin durch die Antragstellerin durchführen zu lassen.

Die Einzelrichterin am LG Osnabrück hat mit Beschluss vom gleichen Tage den Erlass der Verfügung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass nur die Antragstellerin in der Lage sei, die Fahrten durchzuführen. Darüber hinaus würde der Erlass der begehrten Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsstellerin weiterhin den Erlass der einstweiligen Verfügung.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist gegeben. Bei der Prüfung von Rechtsfragen im Rahmen von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 13 GVG, Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG (so auch OLG Naumburg, Beschluss v. 4.10.2007 in ZfBR 2008, 86), für die die Zivilgerichte zuständig sind.

Der Verfügungsantrag ist unbegründet, da der geltend gemachte Verfügungsanspruch keine Rechtsgrundlage hat.

Der unterlegene Bieter kann bei öffentlichen Aufträgen unterhalb des Schwellenwertes nach Zuschlagserteilung mangels einer gesetzlichen Regelung nicht in das dann begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber eingreifen. Ein Primärrechtsschutz ist in diesen Fällen ausgeschlossen.

Dabei kann dahinstehen, ob die bereits erfolgte Vergabe der Aufträge gegen das Regelwerk der VOL/A verstößt. Der Vergabeentscheidung ist -soweit sie sich aus dem Ablehnungsschreiben der Antragsgegnerin vom 7.8.2008 ergibt- nicht in diesem Zusammenhang zu entnehmen, ob bei der Vergabe die Besonderheiten des Transportes schwerbehinderter Personen ausreichend berücksichtigt wurden.

Ein Verfügungsanspruch ergibt sich weder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. VOL/A noch aus Grundrechten der Antragstellerin.

Die VOL/A ist, soweit es, wie hier, um einen öffentlichen Auftrag unter dem Schwellenwert geht, kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

Über dem Schwellenwert von 211.000 EUR (§ 2 Nr. 3 VgV) hat die VOL/A durch den Verweis in § 4 VgV Gesetzesqualität. Den Interessen des unterlegenen Bieters wird im Vergabeverfahren u.a. durch das Recht auf Vorabinformation zum Ausschreibungsergebnis (§ 13 VgV) Rech...

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