Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung konnte auch vor Inkrafttreten des § 28a IfSG mit einem Bußgeld geahndet werden.
Normenkette
IfSG § 28a
Verfahrensgang
AG Aurich (Entscheidung vom 09.07.2021) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 09.07.2021 wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Sache wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das vorgezeichnete Urteil wird auf seine Kosten mit der Maßgabe verworfen, dass der Betroffene wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30.10.2020 -Verstoß gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung- zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt wird.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung des Landkreises Aurich betreffend die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an öffentlichen Plätzen zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt.
Es hat folgendes festgestellt:
Am TT.MM.2020 um (...) Uhr trug der Betroffene (...), keine Mund-Nasen-Bedeckung, obwohl, wie er wusste, eine entsprechende Pflicht bestand. Der Betroffene weigerte sich auch auf eine entsprechende Aufforderung der Polizei hin, die Maske aufzusetzen.
II.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Der rechts unterzeichnende Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da die Frage zu klären ist, ob der Bußgeldtatbestand der im Tenor genannten Verordnung wirksam ist. Obwohl die Frage, nach Inkrafttreten des § 28a IfSG im November 2020, ihre Relevanz verloren hat, bleibt die Klärungsbedürftigkeit für die bis dahin -mutmaßlich zahlreich- begangenen Verstöße von Bedeutung
III.
1.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
2.
§ 3 Abs. 2 der niedersächsischen Coronaverordnung vom 30.10.2020 (im folgenden: Verordnung) lautete wie folgt
Eine Mund-Nasen-Bedeckung soll unbeschadet des § 2 Abs. 2 Satz 2 auch jede Person an Örtlichkeiten in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, tragen, wenn in Bezug auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in dem oder in der die jeweils betreffende Örtlichkeit liegt, die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 35 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt. Das für Gesundheit zuständige Ministerium gibt auf der Internetseite https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/Inzidenz-Ampel/ bekannt, in welchen Landkreisen und kreisfreien Städte die nach Satz 1 geregelte Zahl der Neuinfizierten erreicht ist. Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe nach Satz 2 ist Satz 1 anzuwenden. Beträgt die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, so muss abweichend von Satz 1 jede Person an den Örtlichkeiten im Sinne des Satzes 1 eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen; im Übrigen sind die Sätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Die Landkreise und kreisfreien Städte legen in den Fällen der Sätze 1 und 4 durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung die betreffenden Örtlichkeiten im Sinne der Sätze 1 und 4 fest.
Gemäß § 19 der Verordnung stellten Verstöße gegen die §§ 2-10 und 14-17 Ordnungswidrigkeiten nach § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG dar.
Der Landkreis Aurich hatte durch im Amtsblatt vom 03.11.2020 bekannt gemachte Allgemeinverfügung die Bereiche, in denen eine Mund-Nasen Bedeckung zu tragen war, festgelegt.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass sich der Betroffene in diesem Bereich befand.
3.
Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Rechtsgrundlagen der Verordnung -nämlich § 32 Satz 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG- bestehen nicht. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den sogenannten Parlamentsvorbehalt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des OVG Lüneburg vom 18. November 2020 (13 MN 448/20, juris) verwiesen.
Auch die in der Verordnung auferlegte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird auf die oben genannte Entscheidung des OVG Lüneburg verwiesen, das sich zur Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unter anderem wie folgt geäußert hat:
"Keine Zweifel an der Angemessenheit hegt der Senat hingegen für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wie sie unter anderem in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung bestimmt ist, und auch nicht für die damit korrespondierende Pflicht zum Hinweisen und Hinwirken auf die Einhaltung dieser Pflicht, wie sie sich aus § 3 Abs. 7 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ergibt. Einen ...