Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenswert für Ehescheidungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bemessung des Verfahrenswertes für ein Ehescheidungsverfahren bleiben Leistungen nach dem SGB II unberücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn einer der Ehegatten über Erwerbseinkünfte verfügt.
Normenkette
FamGKG § 43 Abs. 1-2; SGB 2
Verfahrensgang
AG Osnabrück (Beschluss vom 17.01.2014; Aktenzeichen 69 F 241/13 S) |
Tenor
1) Das Verfahren wird gem. §§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG dem Senat zur Entscheidung übertragen.
2) Die Beschwerde des Vertreters der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Osnabrück vom 17.1.2014 durch den der Verfahrenswert für das Ehescheidungsverfahren auf 3.342 EUR festgesetzt worden ist, wird als unbegründet zurückgewiesen.
3) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das AG hat durch Beschluss vom 17.1.2014 den Verfahrenswert für die Ehescheidung der beteiligten Eheleute auf 3.342 EUR festgesetzt. Hierbei ist es von dem sich auf 1.114 EUR belaufenden Erwerbseinkommen des Antragsgegners ausgegangen, während es auf Seiten der Antragstellerin den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) i.H.v. durchschnittlich 900 EUR unberücksichtigt gelassen hat. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.
Die gem. §§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist nicht begründet.
Gemäß § 43 Abs. 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 3.000 EUR bestimmt werden. Nach § 43 Abs. 2 GKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.
Als Nettoeinkommen i.S.d. § 43 FamGKG ist allein das Erwerbseinkommen des Antragsgegners anzusehen. Die nach SGB II bezogenen Leistungen stellen kein im Rahmen von § 43 FamGKG zu berücksichtigendes Einkommen dar.
Die Berücksichtigung von Sozialleistungen hier nach dem SGB II bei der Bestimmung des Verfahrenswertes, wie von der Beschwerde angestrebt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Teil wird vertreten, staatliche Sozialleistungen seien als Einkommen zu behandeln (z.B. OLG Celle NJW 2010, 3587; OLG Celle vom 17.12.2013 12 WF 92/13 - zitiert nach juris; OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 992; OLG Brandenburg FamRZ 2013, 2009; OLG Köln, FamRZ 2009, 638; Klüsener, in: Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 43 FamGKG Rz. 12 f.; Thiel, in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rz. 7144 m.w.N.). Nach der Gegenmeinung (u.a. OLG Bremen FamRZ 2012, 239; OLG Hamm FamRZ 2012, 897; OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1810; OLG Saarbrücken Saarbrücken, MDR 2013, 1231; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 223; OLG Oldenburg (5. Senat für Familiensachen) FamRZ 2009, 1173; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., Anh. § 3. "Ehesachen", m.w.N.) haben Sozialleistungen unberücksichtigt zu bleiben.
Der Senat folgt der Ansicht, dass staatliche Sozialleistungen zur Deckung des Grundbedarfs und ohne Lohnersatzfunktion - wie vorliegend Leistungen nach dem SGB II - für die Berechnung des Verfahrenswertes außer Betracht zu bleiben haben. Das Gesetz knüpft in der genannten Vorschrift an das "erzielte Nettoeinkommen" und somit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eheleute an. Entgegen der Gegenauffassung werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute nicht durch gewährte Sozialleistungen bestimmt. Vielmehr sind diese staatlichen Zuwendungen gerade Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger und knüpfen der Höhe nach nicht an vorausgegangene Arbeitseinkünfte an, sondern orientieren sich allein am Grundbedarf des Leistungsempfängers. Für die hier vertretene Ansicht spricht weiterhin, dass ansonsten die gesetzliche Regelung in § 43 Abs. 1 FamGKG, wonach der Wert nicht unter 3.000 EUR angenommen werden darf, leer liefe. Denn unter Einbeziehung der innerhalb von drei Monaten gewährten Sozialleistungen würde diese Grenze durchgehend überschritten. Soweit die Gegenauffassung anführt, dass es das Interesse der Verfahrensbevollmächtigten an einer angemessenen Vergütung gebiete, Sozialleistungen zu berücksichtigen (OLG Köln FamRZ 2009, 638), ist auf den Beschluss des BVerfG vom 22.2.2006 zu verweisen. Das BVerfG hat es ausdrücklich als verfassungsgemäß angesehen, wenn Sozialleistungen bei der für den Verfahrenswert einer Ehesache vorzunehmenden Einkommensberechnung nicht berücksichtigt werden (BVerfG, FamRZ 2006, 841).
Es verbleibt daher bei dem vom AG festgesetzten Verfahrenswert.
Eine Kostenentscheidung ist gem. § 59 Abs. 3 FamGKG nicht veranlasst.
Fundstellen
Haufe-Index 7169915 |
FuR 2015, 117 |
MDR 2014, 1154 |