Leitsatz (amtlich)

Die Neufassung des § 58 Abs. 6-10 enthält spezialgesetzliche Regelungen für Durchsuchungen, die zum Zwecke der Durchführung einer Abschiebung erfolgen. Für Durchsuchungsanordnungen zur Durchführung einer Abschiebung sind danach in Niedersachsen nicht (mehr) die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sondern die Verwaltungsgerichte zuständig.

(entgegen OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.03.2021, 13 OB 102/21)

 

Normenkette

AufenthG § 58 Abs. 6-10; VwGO § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Osnabrück (Beschluss vom 08.09.2021; Aktenzeichen 249 Gs 1110/21)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.07.2022; Aktenzeichen 3 ZB 6/21)

 

Tenor

Die Entscheidung wird durch den Rechtsunterzeichnenden als Einzelrichter auf den Senat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 14.09.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 08.09.2021 - 249 Gs 1110/21 - wird zurückgewiesen.

Von einer Kostenerhebung wird abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 07.09.2021 beim Amtsgericht Osnabrück zum Vollzug der Abschiebung des AA unter Bezugnahme auf die §§ 24, 25 Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) den Erlass einer richterlichen Durchsuchungs- und Betretenserlaubnis für dessen Meldeadresse Straße 1, Ort 1 beantragt. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass der Betroffene nach Ablehnung seines Asylantrages durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16.05.2017 seit dem 15.05.2020 vollziehbar ausreisepflichtig sei und insoweit eine Abschiebeandrohung vorliege. Eine freiwillige Ausreise sei nicht erfolgt. Zur Sicherstellung der Abschiebung sei nunmehr die beantragte Hausdurchsuchung und die gesondert ebenfalls unter dem 07.09.2021 beantragte Anordnung einer einstweiligen Freiheitsentziehung nach § 427 FamFG erforderlich.

In Bezug auf den beantragten Erlass einer Durchsuchungsanordnung hat das Amtsgericht Osnabrück durch den angefochtenen Beschluss vom 08.09.2021 entschieden, dass der Rechtsweg zum Amtsgericht nicht eröffnet sei und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Osnabrück verwiesen wird. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass sich die einschlägige Rechtsgrundlage für die beantragte Durchsuchungsanordnung in § 58 Abs. 6 bis 8 AufenthG finde und es sich damit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele, für die mangels einer abdrängenden Sonderzuweisung der Rechtsweg zu den Verwaltungs-gerichten eröffnet sei. Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller vertritt unter Hinweis auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 10.03.2021, Az. 13 OB 1102/21, die Ansicht, dass für die Durchsuchungsanordnung in § 58 Abs. 8 AufenthG über § 58 Abs. 10 AufenthG eine neben der allgemeinen Regelung des § 40 Abs. 1 VwGO geltende gleichrangige eigenständige Zuständigkeitsregelung geschaffen worden sei, mit der es den Ländern im Sinne einer Öffnungsklausel ermöglicht werde, die bundesgesetzliche "Mindestbefugnis" in §§ 58 Abs. 6 und 8 AufenthG hinsichtlich des zuständigen Gerichts auszuführen oder auszufüllen. Dies sei mit den §§ 25 Abs. 1 Satz 2 und 3, 19 Abs. 4 NPOG geschehen, so dass für die Durchsuchungs-anordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet sei.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1.b) GVG das Oberlandesgericht berufen.

Gegen einen Beschluss durch den der beschrittene Rechtsweg für unzulässig erklärt wird, ist nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Der Antragsteller stützt seinen Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung durch das Amtsgericht auf die §§ 24, 25 NPOG so dass sich das gerichtliche Verfahren gemäß § 25 Abs. 1, 19 Abs. 4 NPOG nach den Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) richtet und in der Folge die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Beschwerdeverfahren begründet ist.

Für die nach § 17a Abs. 4 Abs. 3 GVG statthafte Rechtswegbeschwerde gelten im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit die §§ 567 ff. ZPO entsprechend (vgl. OLG Köln, FGPrax 2020, 246f, Rn. 6 (juris); Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 1 Rn. 63; Zöller/ Lückemann, § 17 a GVG Rn. 15). Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist form- und fristgerecht bei dem zuständigen Oberlandes-gericht eingelegt worden. Für die Entscheidung über das Rechtsmittel ist gemäß § 568 ZPO grundsätzlich der Einzelrichter des Senats berufen. Dieser überträgt das Verfahren dem Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, weil die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist (§ 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO).

II. In der Sache hat die sofortige Beschwerde hingegen keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht e...

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