Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 2 O 427/20) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Gründe
Die Parteien streiten um Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers nach einem Fahrradsturz. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 16.11.2021. Mit diesem hat der Einzelrichter der Klage überwiegend stattgegeben, wobei er von einer Mitverschuldensquote des Klägers von 50 % ausgegangen ist.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er an, im Sturz des Klägers habe sich nicht die Tiergefahr seines Hundes realisiert. Er sei ausschließlich durch das falsche Verhalten des Klägers selbst verursacht worden, was eine Haftung des Beklagten ausschließe. Zutreffend habe das Landgericht insoweit angenommen, dass die klägerische Schilderung des Unfallgeschehens durch die Aussage der Zeugin DD widerlegt sei. Diese habe überzeugend bekundet, dass der Kläger den Sturz habe verhindern können, wenn er einen Bogen gefahren wäre oder angehalten hätte. Zudem habe der Kläger die Fahrbahn mittig befahren und damit einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot begangen. Darüber hinaus habe das Landgericht wiederholt verspätetes Vorbringen des Klägers trotz entsprechender Rügen des Beklagten berücksichtigt. Der erstmalig am 21.10.2021 gestellte Feststellungsantrag sei zudem nicht begründet worden, so dass er der Abweisung unterliege.
Diese Einwendungen verhelfen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg.
Das Landgericht ist gestützt auf die Aussage der Zeugin DD und der Angaben des Beklagten selbst zu dem Ergebnis gekommen, dass dessen Hund bis etwa zur Fahrbahnmitte auf den sich auf seinem Pedelec nähernden Kläger zugelaufen ist und diesen veranlasst hat anzuhalten, wobei es zum Sturz kam. Das Verhalten des Hundes ist damit für den Unfall kausal geworden, so dass sich hierin die typische Tiergefahr realisiert hat. Dieser Verursachungsbeitrag tritt aus den vom Landgericht aufgezeigten Gründen hinter einem Mitverschulden des Klägers nicht gänzlich zurück. Er führt zu einer hälftigen Haftung der Parteien. Insoweit hat der Einzelrichter überzeugend ausgeführt, dass der Kläger bei einer Teilnahme am Straßenverkehr zwar grundsätzlich in der Lage sein müsse, sein Pedelec abzubremsen, einem Hindernis auszuweichen oder sicher abzusteigen. Die unzulängliche Reaktion des Klägers wiege angesichts der durch den Hund ausgelösten überraschenden Situation für den Fahrradfahrer allerdings nicht schwerer, als der Verursachungsbeitrag des Tieres, das auf der Straße nichts zu suchen habe. Dieser Abwägung schließt sich der Senat an. Nur ergänzend ist insoweit anzumerken, dass der Beklagte für ein Mitverschulden des Klägers darlegungs- und beweispflichtig ist. Obwohl die Zeugin DD lediglich angegeben hat, dass es nach ihrer Einschätzung für den Kläger vielleicht möglich gewesen wäre, den Unfall zu vermeiden, indem er einen Bogen gefahren wäre oder angehalten hätte, hat das Landgericht eine solche Vermeidungsmöglichkeit zu Gunsten des Beklagten angenommen.
Die weitere Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht verspätetes Vorbringen des Klägers berücksichtigt, vermag die Berufung schon grundsätzlich nicht zu tragen (vergl. Zöller, Greger, ZPO, 34. Aufl., § 296, Rn. 35). Das Berufungsgericht kann die vom Erstgericht selbst fehlerhaft unterlassene Zurückweisung verspäteten Vorbringens weder nachholen noch trotz gebotener Zurückweisung erhobene Beweise unberücksichtigt lassen (a.a.O.).
Soweit der Beklagte schließlich rügt, der erst mit Schriftsatz vom 21.10.2021 erhobene Feststellungsantrag sei nicht begründet worden, gibt auch das keine Veranlassung zu einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils. Bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn künftige Schadensfolgen auch nur entfernt möglich sind (Zöller, Greger, ZPO, § 256, Rn. 9). Die Rechtsgutsverletzung war durch den Kläger bereits zuvor dargelegt worden. Angesichts der behaupteten Schwere dieser Verletzung bedurfte es auch keiner weiteren Darlegung, dass zumindest die entfernte Möglichkeit zukünftiger Schadensfolgen bestand.
Fundstellen
Haufe-Index 16061760 |
DAR 2023, 572 |