Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheitsgebot. Ahndungslücke
Leitsatz (amtlich)
Kein Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen eine Landschaftsschutzverordnung bei unrichtiger Verweisung auf die gesetzliche Bußgeldvorschrift
Normenkette
GG Art. 103
Verfahrensgang
AG Meppen (Entscheidung vom 19.03.2024) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Meppen vom 19.03.2024 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Ausgenommen von der Aufhebung werden die Feststellungen zum objektiven Tatbestand. Insoweit wird Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit, nämlich "entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 13 und 14 LSG-VO naturnahe Gebüsche sowie naturnahe Waldränder beseitigt zu haben", zu einer Geldbuße von 2000 € verurteilt.
Das Amtsgericht hat unter anderem festgestellt, dass bei einer Ortsbegehung am 21.03.2023 festgestellt worden sei, dass entgegen der Verordnung zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt in nicht rechtsverjährter Zeit diverse Bäume und Sträucher sowie Gehölze beseitigt worden sein und das Stammholz abgefahren worden sei, wodurch das angrenzende Grünland beeinträchtigt und teilweise zerstört worden sei. Dies habe der Betroffene zumindest billigend in Kauf genommen.
Mit der genannten Verordnung war die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Natura 2000 Naturschutzgebiet in der unteren Haseniederung" und über das Landschaftsschutzgebiet "Natura 2000-Untere Haseniederung" im Landkreis Emsland in den Städten Meppen und Haselünne, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Emsland Nummer 36 vom 21.12.2017, gemeint.
Nach § 3 dieser Verordnung sind u.a. folgende Handlungen untersagt:
13. die Beseitigung oder Beeinträchtigung von Landschaftselementen wie z. B. Hecken, Feldgehölze, Einzelbäume, Baumreihen, Alleen oder naturnahe Gebüsche sowie Kleingewässer. Die fachgerechte Pflege der Landschaftselemente ist erlaubt.
14. die Beseitigung oder Beeinträchtigung von naturnah aufgebauten Waldrändern.
Der Ordnungswidrigkeitentatbstand des § 9 der Verordnung lautet:
(1) Ordnungswidrig nach § 26 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 43 Abs. 3 Nr. 4 NAGBNatSchG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Verbotsregelungen in § 3 dieser VO verstößt, ohne dass eine Zustimmung gem. § 3 Abs. 2, eine Freistellung gem. § 4 bzw. eine Zustimmung gem. § 4 Abs. 6 oder eine Befreiung gem. § 5 dieser VO vorliegt. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 43 Abs. 4 NAGBNatSchG mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden.
2) Ordnungswidrig handelt darüber hinaus, wer gem. § 69 Abs. 3 Nr. 6 BNatSchG eine Veränderung oder Störung vornimmt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000 Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile führen kann. Die Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 69 Abs. 6 BNatSchG mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner gemäß § 79 Abs 1 Satz 1 OWiG statthaften und zulässig begründeten Rechtsbeschwerde.
Diese hat einen vorläufigen Erfolg:
Der Betroffene kann aus Rechtsgründen nicht wegen eine Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 der Verordnung mit einer Geldbuße belegt werden.
Der Senat hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt angeschrieben:
Der Senat teilt die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes nicht zu beanstanden ist.
Gleichwohl könnte aus Rechtsgründen eine Vorwerfbarkeit des festgestellten Sachverhaltes nicht gegeben sein:
Nach dem in der Akte befindlichen Text der LSG-VO "Untere Haseniederung" (S. 35 ff dA) - der auch einer im Internet aufrufbaren Fassung entspricht- verweist § 9 dieser Verordnung auf § 43 Abs. 3 Nummer 4 NAGBNatSchG. Ab 01.01.2021 gab es aber dieses Gesetz nicht mehr; es heißt vielmehr seitdem Niedersächsisches Naturschutzgesetz. Mag das evtl. noch eine unschädliche Umbenennung sein, gab es aber bereits ab dem 04.12.2020 auch den in der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten § 43 Abs. 3 Nummer 4 NAGBNatSchG nicht mehr. Das hatte seinen Grund darin, dass der ursprüngliche Abs. 1 des § 43 gestrichen worden ist.
Sollte die Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht angepasst worden sein -wonach nach derzeitigem Erkenntnisstand auszugehen ist- verweist die Verordnung ins Leere, während umgekehrt § 43 Abs. 2 Nummer 4 neue Fassung Niedersächsisches Naturschutzgesetz nicht erfüllt ist, weil die Verordnung eben nicht auf diese (=Abs. 2 Nr 4) Bußgeldvorschrift verweist.
Insofern läge - die Nichtanpassung der Schutzgebietsverordnung unterstellt - eine der Entscheidung des BGH NStZ 92, 535 (insb. RN 16 ff, insb.17 aE, bei juris) vergleichbare Ahndungslücke vor, mit dem Unterschied, dass dort die Verordnung später nachgebessert w...