Verfahrensgang
AG Nordhorn (Aktenzeichen 11 F 631/20 RI) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zurückzuweisen (§ 117 Abs. 3, § 68 Abs. 3 FamFG).
Hierbei geht der Senat davon aus, dass die zwischenzeitlich geführten Verhandlungen über einen Vergleich gescheitert sind.
II. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben.
Gründe
I. Die Beteiligten waren verheiratet. Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 19.04.2021 wurde die am TT.MM.2006 geschlossene Ehe geschieden.
Die Beteiligten sind/waren libanesische Staatsangehörige. Die Ehe wurde nach deutschem Recht geschieden. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen, das weder bei der Mutter noch beim Vater lebt.
Die Antragstellerin lebt vollstationär in einem Pflegeheim. Der Antragsgegner lebt in einer neuen Beziehung, aus der die am TT.MM.2021 geborene DD hervorgegangen ist. Der Antragsgegner bezieht derzeit Leistungen nach dem SGB II.
Die Antragstellerin macht einen Anspruch auf Zahlung einer "Abendgabe" geltend, die die Beteiligten urkundlich anlässlich der Eheschließung im Libanon vereinbart haben (Übersetzung GA 87). Hierin haben die Beteiligten vereinbart, dass die Braut vor der Heirat eine goldene englische Münze ausgehändigt bekommt und bei der Scheidung 50.000 US $ als Nachgabe (Entschädigung).
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung der Nachgabe in Höhe von umgerechnet 41.943,25 EUR verpflichtet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, die er damit begründet, dass die Verpflichtung zur Zahlung infolge einer Inhaltskontrolle der Vereinbarung anzupassen sei:
Die Antragstellerin sei in einem Pflegeheim untergebracht und habe deshalb keinen weiteren Versorgungsbedarf. Anders als in Deutschland gebe es im Libanon keine staatliche Absicherung. Die Versorgungsnotwendigkeit bei dem Zahlungsversprechen im Libanon bestehe deshalb in Deutschland nicht mehr.
Der Antragsgegner sei derzeit ohne Erwerbseinkommen und wirtschaftlich schlechter gestellt als die Antragstellerin.
II. Die Beschwerde des Antragsgegner ist zulässig, in der Sache hat sie keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit das Amtsgericht das Zustandekommen des Vertrags über die Vereinbarung der Nachgabe als wirksam angesehen hat, werden mit der Beschwerde keine Einwendungen vorgebracht. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Das Amtsgericht hat den Vertrag inhaltlich zutreffend nach dem deutschen Sachrecht geprüft und insoweit eine richterliche Inhaltskontrolle vorgenommen. Bedenken gegen die Vereinbarung im Rahmen der Abschlusskontrolle bestehen nicht. Die Vereinbarung einer Morgen- und/oder Abendgabe ist im islamischen Rechtskreis üblich und gesellschaftlich akzeptiert.
Einwendungen werden seitens des Antragsgegners auch lediglich in Bezug auf die Ausübungskontrolle vorgetragen. Sie sind indessen nicht berechtigt.
Im Rahmen der sog. Ausübungskontrolle hat das Amtsgericht keinen Anlass gesehen, den Vertrag wegen Wegfalls oder Änderung der Geschäftsgrundlage anzupassen:
Dass die Antragstellerin aufgrund ihres Aufenthalts im Pflegeheim Sozialleistungen erhalte, begründe eine Anpassung nicht. Die Bedürftigkeit der Antragstellerin sei nach dem Ehevertrag nicht Voraussetzung des Anspruchs auf die Abendgabe. Außerdem werde die Bedürftigkeit durch den Bezug von Sozialleistungen in Deutschland nicht beseitigt, da die Unterhaltsansprüche auf den Sozialleistungsträger übergingen.
Der Senat teilt diese Ansicht. Die Antragstellerin bezieht nach den von ihr vorgelegten Unterlagen Grundsicherung (Sozialhilfe) nach dem SGB XII in Höhe von 719,88 EUR monatlich. Hierbei handelt es sich um eine subsidiäre Leistung, die die Bedürftigkeit als solche nicht entfallen lässt. Anders als der Antragsgegner meint, ist daher der Vertrag nicht deshalb anzupassen, weil der Versorgungsgedanke entfallen ist, nachdem die Beteiligten den Libanon verlassen haben und in Deutschland leben. Nach dem deutschen Recht bleibt der Anspruch des Hilfebedürftigen, der sich nicht selbst versorgen und deshalb auf die Sozialleistungen angewiesen ist, als solcher bestehen. Er geht nur auf den Träger der öffentlich-rechtlichen Leistung über (§ 94 SGB XII). Dass der Anspruch auf den Träger der Leistung übergeht, führt nicht dazu, dass die Zahlung dem Antragsgegner unzumutbar wird. Der Sozialstaat tritt hier nicht anstelle des Verpflichteten ein, er will diesen nicht entlasten, sondern lediglich sicherstellen, dass dem Bedürftigen zuerst die für seine Lebensführung erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen und erst danach der Verpflichtete auf Zahlung der vorschussweise gewährten Sozialleistung in Anspruch genommen wird.
Das Amtsgericht hat es auch nicht als Wegfall der Geschäftsgrundlage angesehen, dass der Antragsgegner die Abendgabe derzeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht zahlen kann. Der Senat teilt auch diese Auffassung. Es liegt im Risikobereich desjenigen, der eine vertragliche Verpflichtung eingeht, diese später auch erfüllen zu können. Besondere Umstände, die insow...