Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafverfahren wegen Diebstahl und Hehlerei: Geltendmachung von Ladungsmängeln im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Geltendmachung von Ladungsmängeln, insbesondere die Behauptung, zum Zeitpunkt der Zustellung habe sich der räumliche Lebensmittelpunkt nicht unter der Zustellungsanschrift befunden, im Rahmen einer Revision gegen ein Verwerfungsurteil gem. § 329 Abs.1 StPO setzt bei einer in einer Zustellungsurkunde dokumentierten Ersatzzustellung an eine durch den Angeklagten als Anschrift benannte Einrichtung - im vorliegenden Fall eine Drogenberatungsstelle - die schlüssige und plausible Darlegung von Anhaltspunkten voraus, welche zur Entkräftung der Indizwirkung der Zustellungsurkunde geeignet sind.
Normenkette
StPO §§ 37, 329 Abs. 1, § 344; ZPO § 178
Verfahrensgang
LG Aurich (Entscheidung vom 21.09.2020; Aktenzeichen 12 Ns 40/20) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 21. September 2020 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Leer hatte mit Urteil vom 5. Dezember 2019 den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Aurich mit Urteil vom 21. September 2020 gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte ohne Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. Das Urteil ist dem Angeklagten am 28. September 2020 zugestellt worden. Mit noch am selben Tag per Fax übersandten Schriftsatz hat der Verteidiger für den Angeklagte sowohl Revision eingelegt als auch Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumen der Berufungshauptverhandlung beantragt. Diesen Antrag hat das Landgericht mit - soweit ersichtlich - inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 8. Oktober 2020 verworfen.
II.
Die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 19. Oktober 2020 mit der Geltendmachung der Verletzung formellen und materiellen Rechts weiter begründete Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1.
Die erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspricht.
Der Angeklagte rügt, nicht ordnungsgemäß geladen worden zu sein. Die ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten als Berufungsführer ist Voraussetzung für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 329 Abs. 1 StPO. Das Fehlen dieser Voraussetzung kann vom Angeklagten im Revisionsverfahren nur mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Diese ist in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO anzubringen. Danach müssen die den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.1995 - 2 Ss 72/95, NStZ-RR 1996, 245; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2006 - 5 Ss 570/05, juris Rn. 8; KG, Urteil vom 16.06.2008 - 1 Ss 44/08, NStZ 2009, 111 f.). Erst dann, wenn die Revisionsschrift diesen Anforderungen gerecht wird, ist vom Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zu prüfen, ob die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung ordnungsgemäß erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1986 - 1 StR 207/86, NJW 1987, 1776 [1777]; OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2004 - 4 Ss 359/04, NStZ-RR 2005, 114; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2006 - 5 Ss 570/05, juris Rn. 8).
Nach diesen Maßstäben ermöglicht die Revisionsschrift dem Senat nicht die Überprüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden.
Der Angeklagte begründet seine Revision lediglich damit, die Ladung zur Berufungshauptverhandlung nicht erhalten zu haben. Die Ladung sei seinerzeit der Drogenberatungsstelle (DROBS) in (...) zugestellt worden. Eine telefonische Nachfrage bei dieser Einrichtung habe ergeben, dass dort über den Erhalt eines solches Schreibens kein Buch geführt oder sonst der Eingang registriert werde. Daher könne nicht gesagt werden, ob der Angeklagte die Ladung erhalten habe. Auch die Tatsache, dass er seinerzeit im erstinstanzlichen Verfahren die Ladung über die DROBS tatsächlich erhalten habe, rechtfertige nicht den Schluss, dass dies im Berufungsverfahren ebenfalls geschehen sei. An seinem Fernbleiben im Termin treffe den Angeklagten mithin keine Schuld.
Diese Angaben sind zur Darlegung eines Ladungsmangels unzureichend.
Wird für die Ladung der zwar nicht gesetzlich vorgeschriebene, aber in Nr. 117 Abs. 1 Satz 1 RiStBV empfohlene Weg der Zustellung gewählt und erfolgt diese in Form der Ersatzzustellung, dann ist es für die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Ladung als Voraussetzung für ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ohne Belang, ob der Angeklagte das Schriftstück tatsächlich erhalten und zur Kenntnis genommen hat; es genügt, dass ihm in einer den Anforderung...