Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 1 T 122/20) |
AG Osnabrück (Aktenzeichen 60M 2/20) |
Tenor
1. Die weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 30. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher unter Verwendung eines amtlichen Vordrucks mit der Abnahme einer Vermögensauskunft ohne vorherigen Pfändungsversuch gem. §§ 802c, 802f ZPO und erteilte in diesem Rahmen auch den Auftrag zur gütlichen Erledigung gem. § 802b ZPO.
Daraufhin lud der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin zur Abnahme der Vermögensauskunft nebst Zahlungsaufforderung gem. § 802 f ZPO unter Hinweis auf die Möglichkeit zur gütlichen Einigung gem. § 802b ZPO durch Einräumung einer Zahlungsfrist oder Gestattung von Ratenzahlung. Dafür bediente er sich der CC AG. Die Ladung konnte nicht zugestellt werden, weil die Schuldnerin unbekannt verzogen war.
Der Gerichtsvollzieher berechnete gegenüber der Gläubigerin u.a. einen Betrag von 8,00 EUR unter Berufung auf Nr. 208 KV GvKostG. Dagegen wendete sich die Gläubigerin zunächst mit ihrer Erinnerung vor dem Amtsgericht und im Anschluss mit ihrer vom Amtsgericht zugelassenen Beschwerde, die ebenfalls vom Bezirksrevisor eingelegt wurde, vor dem Landgericht. Die Rechtsmittel blieben erfolglos. Der Bezirksrevisor hat gegen den Beschluss des Landgerichts die von diesem zugelassene weitere Beschwerde eingelegt.
II. 1. Die von dem Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse eingelegte weitere Beschwerde ist gemäß §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 4 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
a) Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob im Falle der Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Einholung einer Vermögensauskunft (§ 802 a Abs. 2 Nr. 2 ZPO) sowie des Versuches einer gütlichen Erledigung (§ 802 b ZPO) eine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG zusteht, obwohl das Ladungsschreiben zur Abgabe der Vermögensauskunft mitsamt der Anregung zur gütlichen Einigung dem Schuldner nicht zugestellt werden konnte, weil dieser unbekannt verzogen ist.
aa) Nach einer Ansicht steht dem Gerichtsvollzieher die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG in diesen Fällen nicht zu, weil der Gebührentatbestand einen Versuch zur gütlichen Erledigung voraussetzt, der tauglich ist, den Schuldner zu erreichen (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2020, 62; OLG Düsseldorf, DGVZ 2019, 216 - unter Rückgriff auf § 22 StGB -; OLG Hamm, DGVZ 2019, 133; zustimmend Kessel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GvKostG, Nr. 207 Rn. 15).
bb) Nach anderer Auffassung ist ein nach Nr. 208 KV GvKostG vergütungspflichtiger Mehraufwand immer dann zu bejahen, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner - gleich in welcher Form - zur gütlichen Erledigung auffordert, ohne dass die Mitwirkung des Schuldners oder die Zustellung der Aufforderung an diesen erforderlich wäre (vgl. OLG Celle, DGVZ 2019, 264; OLG Braunschweig, DGVZ 2019, 43; zustimmend Herrfurth in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Neie/ Wendtland/Gerlach, 30. Edition, Stand: 01.06.2020, GvKostG, KV Nr. 208 Rn. 10 und KV Nr. 600 - 604 Rn. 25).
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
aa) Im Kern entscheidend ist die Frage, wann der "Versuch einer gütlichen Erledigung" nach Nr. 207, 208 KV GvKostG beginnt.
(1) Dies ist nach der sprachlichen Bedeutung des Begriffes "Versuch" und damit der zunächst heranzuziehenden Wortlautauslegung bereits dann der Fall, wenn eine Anstrengung, Bemühung oder Bestrebung unternommen wird. Mithin beginnt nach dem Wortlaut der "Versuch einer gütlichen Erledigung" für den Gerichtsvollzieher bereits mit der Abfassung und Absendung des Schreibens an den Schuldner, in dem er diesen auf die Möglichkeit zur gütlichen Erledigung gem. § 802b ZPO durch Einräumung einer Zahlungsfrist oder Gestattung von Ratenzahlung hinweist.
(2) Ferner spricht der Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes dafür, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung mit der ersten Tätigkeitsentfaltung des Gerichtsvollziehers beginnt. Auch wenn nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9698 S. 25) erst "Der Versuch einer gütlichen Erledigung (...) stets eine Gebühr auslösen" soll, bleibt es das Telos des Gebührentatbestandes, einen Mehraufwand des Gerichtsvollziehers für den Versuch der gütlichen Erledigung abzudecken. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, ihn mit der Veranlassung der Zustellung als erfüllt anzusehen. Denn auch wenn zuzugeben ist, dass er sehr gering ist, liegt bereits in der zusätzlichen schriftlichen Darstellung der Einigungsmöglichkeiten im Vergleich zum bloßen Anschreiben zur Abgabe der Vermögensauskunft ein (Mehr-) Aufwand (a.A. OLG Koblenz a.a.O.). Die Geringfügigkeit dieses Aufwandes ist demgegenüber nicht maßgeblich, weil es sich um eine Festgebühr handelt, die als Ergebnis einer Mischkalkulation sowohl besonders aufwä...