Leitsatz (amtlich)
Keine Anwendung des § 15a RVG auf sog. Altfälle.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 5 O 222/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Verfahren wird gem. § 568 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss I des Rechtspflegers des LG Osnabrück vom 31.8.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 1.
III. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf bis 600 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.8.2009 hat das LG Osnabrück die dem Beklagten zu 1. von der Klägerin zu ersetzenden Kosten festgesetzt und dabei auf die Verfahrensgebühr die hälftige außergerichtliche Geschäftsgebühr nach einem Gebührensatz von 0,65 i.H.v. 367,90 EUR angerechnet.
Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1. mit der sofortigen Beschwerde und macht geltend, dass eine Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der am 5.8.2009 in Kraft getretenen Bestimmung des § 15a RVG nicht mehr zulässig sei. Diese Vorschrift sei auch auf Verfahren anzuwenden, bei denen die Beauftragung des Anwalts bereits vor dem 5.8.2009 erfolgt sei. Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG betreffe nicht das Kostenfestsetzungsverfahren.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG zulässig, aber nicht begründet.
Die teilweise Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV zum RVG entspricht für die Zeit vor dem 5.8.2009 der herrschenden Rechtsprechung, der auch der Senat folgt (vgl. im Einzelnen BGH Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 ff.). Für das Kostenfestsetzungsverfahren gilt nichts anderes. Festzusetzen ist die nach den Bestimmungen des RVG begründete Gebühr, die der Auftraggeber seinem Anwalt schuldet.
An der Anrechnung ändert auch die Einführung des § 15a RVG für sog. "Altfälle" nichts, weil insoweit § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist.
Die Einführung des § 15a RVG durch das am 23.4.2009 beschlossene Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen Berufsrecht stellt eine Gesetzesänderung i.S.d. § 60 Abs. 1 RVG dar (vgl. auch OLG Celle Beschl. v. 26.8.2009 - 2 W 240/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.8.2009 - 12 W 91/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2009 - 20 W 62/09; OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.2009 - 6 WF 154/09). Die Gegenansicht sieht darin lediglich eine gesetzgeberische Klarstellung mit der Rechtsfolge, dass die Übergangsvorschrift des § 60 RVG keine Anwendung findet und die Regelung des § 15a RVG rückwirkend für Altfälle maßgeblich ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.8.2009 - 8 W 339/09; OLG Koblenz Beschl. v. 1.9.2009 - 14 W 553/09; OLG Dresden, Beschl. v. 13.8.2009 - 3 W 793/09). Zur Entscheidung der Frage, ob es sich bei einer gesetzlichen Neuregelung um eine Gesetzesänderung oder nur um eine "Klarstellung" handelt, ist eine formalisierte Betrachtungsweise geboten. Andernfalls wird die Auseinandersetzung über inhaltliche Auslegungsfragen verlagert auf die Frage der Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift selbst. Damit würde die Übergangsvorschrift überfrachtet. So wird vom zweiten Zivilsenat des BGH, der in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr eine andere Auffassung vertritt als die übrigen Senate, die Neuregelung des § 15a RVG als Klarstellung seiner Rechtsauslegung begrüßt (Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07), während sie von der Mehrheitsauffassung, die ihre gegenteilige Auffassung auf den gesetzlichen Wortlaut der Anrechnungsbestimmung stützt, ebenso klar als Gesetzesänderung aufgefasst werden muss. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Begriff der Gesetzesänderung in weitem Sinn dahin gehend auszulegen, dass die durch das Gesetz vom 23.4.2009 eingefügte neue Vorschrift des § 15a RVG eine Gesetzesänderung nach § 60 Abs. 1 RVG darstellt (so auch OLG Celle, a.a.O.).
Infolgedessen ist § 15a RVG auf Altfälle wie den vorliegenden nicht anwendbar. Soweit in der Rechtsprechung eine vermittelnde Auffassung vertreten wird, wonach die in § 15a RVG zum Ausdruck gebrachte Wertung des Gesetzgebers auch bei der Auslegung der Anrechnungsvorschrift nach bisherigem Recht in dem Sinn zu berücksichtigten sei, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht (mehr) in Betracht komme, auch wenn es sich bei § 15a RVG um eine Neuregelung i.S.d. § 60 Abs. 1 RVG handele (OLG Köln Beschl. v. 14.9.2009 - 17 W 195/09), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine derartige Auslegung scheitert bereits an dem eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV zum RVG (vgl. BGH Beschluss 22.1.2007 - VIII 57/07 bei juri...