Leitsatz (amtlich)
Prozess- und Verfahrenskostenhilfe: Keine Teilung des Unterhaltsfreibetrags für Kinder bei Betreuung im Wechselmodell
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 2b
Verfahrensgang
AG Meppen (Aktenzeichen 15 F 709/20 SO) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Verfahren wird dem Senat zur Entscheidung in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 19. Januar 2021 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 26. Januar 2021 geändert und die Ratenzahlungsanordnung aufgehoben.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Das Amtsgericht hat dem Vater für ein Sorgerechtsverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und eine Ratenzahlung angeordnet. Bei der Einkommensberechnung hat es unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 13.07.2020 - 5 WF 117/20 - (FamRZ 2021, 1746 f.) beim Einkommen des Antragstellers nur einen halben Unterhaltsfreibetrag für das gemeinsame Kind abgezogen, da die Eltern das paritätische Wechselmodell ausüben.
Ob bei einem paritätischen Wechselmodell, bei dem das Kind jeweils zur Hälfte im Haushalt beider Elternteile betreut wird, zugunsten der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei bzw. des Verfahrenskostenhilfe beantragenden Beteiligten der volle oder nur ein halber Unterhaltsfreibetrag zu berücksichtigen ist, ist streitig. Die Entscheidung ist deshalb vom Einzelrichter auf den Senat in voller Besetzung übertragen worden (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4, 568 S. 2 Nr. 2 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 2b ZPO ist vom Einkommen ein pauschaler Freibetrag für Unterhaltsleistungen aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht abzuziehen, und zwar in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist.
Beim paritätischen Wechselmodell wird dabei in Rechtsprechung und Literatur im Wege einer teleologischen Reduktion der Vorschrift eine Halbierung des gesetzlichen Freibetrags vertreten, da sich die beiden Elternteile durch die Übernahme der hälftigen Betreuung des Kindes jeweils gegenseitig entlasteten (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 1746 f., Chistl, FamRZ 2016, 959). Die Gegenansicht verweist darauf, dass auch dann, wenn das Kind mit seinen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt lebt und beide Bar- und Betreuungsunterhaltsleistungen erbringen, jeder Elternteil nach herrschender Meinung den vollen Freibetrag von seinem Einkommen abziehen kann. Dann aber könnten Eltern, die sich die Unterhaltspflichten in getrennten Haushalten teilten, nicht schlechter gestellt werden (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2016, 253; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 115 Rn. 36; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenkostenhilfe, 9. Aufl., § 6 Rn. 308; Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 115 Rn. 49; Wache in: MünchKomm ZPO, 6. Aufl., § 115 Rn. 42).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Die gesetzliche Regelung ist eindeutig, indem sie wegen der Höhe des Freibetrags Bezug nimmt auf die jeweiligen Regelbedarfssätze nach dem SGB XII und indem zusätzlich diese nach § 115 Abs. 1 S. 5 ZPO "maßgeblichen" Beträge bei jeder Neufestsetzung und jeder Fortschreibung durch das Bundesministerium der Justiz im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben werden. Für eine planwidrige Lücke ist kein Raum. Dass Kinder regelmäßig von beiden Eltern unterhalten werden und beide Elternteile zunehmend eigene Einkünfte erwirtschaften, ist dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben, ohne dass er daraus Konsequenzen gezogen und eine quotale Aufteilung des Freibetrags angeordnet hätte (vgl. Christl, FamRZ 2016, 959; Bork in:Stein/Jonas, a.a.O. Rn. 49). Daher ist der herrschenden Meinung zu folgen, nach der bei intakter Ehe der Freibetrag von beiden Teilen beansprucht werden kann. Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn sich die Eltern trennen und für das Wechselmodell entscheiden. Denn dadurch ändert sich nichts daran, dass beide Eltern weiterhin gemeinsam für den Unterhalt in Bar- oder Naturalleistungen und für die Betreuung aufkommen - lediglich in getrennten Wohnungen. Die Argumentation des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main, es sei zwar richtig, dass eine nur hälftige Berücksichtigung des Freibetrags zu einer Ungleichbehandlung von getrennt lebenden Eltern einerseits und erwerbstätigen Eltern in intakter Ehe andererseits führe, die Notwendigkeit einer Gleichstellung sich aber nicht aufdränge, da zwischen den im Wechselmodell betreuenden Eltern gerade kein Familienverband mehr bestehe (OLG Frankfurt/Main a.a.O., Rn. 15), überzeugt den Senat nicht. Der Anspruch auf Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe knüpft an die wirtschaftlichen Bedi...