Leitsatz (amtlich)
Dient bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aufgrund des sog. VW-Abgasskandals ein "Fallenlassen" der Verjährungseinrede in erster Instanz dazu, eine Entscheidung über einen Anspruch des Klägers aus § 852 Satz 1 BGB zu verhindern, stellt dies einen in der Berufungsinstanz nicht widerruflichen Verzicht auf die Erhebung dieser Einrede dar.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Aktenzeichen 13 O 2299/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. November 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 16.000,00 Euro.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB
Der Kläger erwarb im Juni 2014 im Autohaus H. den streitgegenständlichen VW Passat Variant TDI Highline zum Kaufpreis von 25.940,00 Euro. Das Fahrzeug hatte bei Vertragsschluss eine Laufleistung von 26.801 km. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs. Dieses ist mit einem ebenfalls von ihr hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die ursprünglich vorhandene Motorsoftware erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte (Modus 1) oder im üblichen Straßenverkehr (Modus 0) befand. Durch die Software verringerte sich auf dem Prüfstand der Stickoxid-Ausstoß des Fahrzeugs gegenüber dem normalen Fahrbetrieb. Das Fahrzeug wurde in die Schadstoffklasse EURO 5 eingeordnet, weil die nach dieser Abgasnorm geltenden Stickoxid-Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden.
Nach Bekanntwerden des sog. "VW-Abgasskandals" im Jahre 2015 ließ der Kläger ein von der Beklagten angebotenes Software-Update durchführen.
Mit der am 17.08.2020 eingegangenen Klage verlangt er Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises unter Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen auf Basis einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. September 2020 die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18. September 2020 vorgetragen, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch noch nicht verjährt sei, da für einen auf § 852 BGB beruhenden Anspruch eine zehnjährige Verjährungsfrist gelte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 1. Oktober 2020 hat der Kläger die aktuelle Laufleistung mit 134.552 km mitgeteilt. Diese hat die Beklagte unstreitig gestellt. Nachdem die Beklagte einen Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2020 beantragt hatte, hat die Einzelrichterin folgenden Hinweis erteilt:
"Es wird darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des § 852 BGB noch keine abschließende Meinung besteht. Ob dieser nur im Falle des Neuwagenverkaufs Anwendung findet, ist hier offen."
Sodann hat sie der Beklagten unter anderem zum vorgenannten Hinweis Schriftsatznachlass bis zum 30. Oktober 2020 gewährt. Mit an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte ohne weitere Ausführungen erklärt:
"... bedanken wir uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme und lassen für die Beklagte die Einrede der Verjährung fallen."
Durch am 19. November 2020 verkündetes Urteil hat das Landgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen
1. die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.709,14 Euro nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. August 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Passat mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WVWZZZ3CZCE054999 zu zahlen,
2. festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Volkswagen Passat mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WVWZZZ3CZCE054999 in Annahmeverzug befindet und
3. die Beklagte verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte Hillmann & Partner mbB, Gartenstraße 14, 26122 Oldenburg, in Höhe von 1.072,77 Euro freizustellen.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel auf Abweisung der Klage weiterverfolgt und im Rahmen der Berufungsbegründung erneut die Einrede der Verjährung erhebt.
II. Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2021 hat der Senat auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen und zur Begründung unter...