Leitsatz (amtlich)
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt durch Nachfahren zu Nachtzeit.
Verfahrensgang
AG Norden (Entscheidung vom 10.07.2012) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 10.07.2012 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Norden zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 82 km/h zu einer Geldbuße von 1.200,- € verurteilt und gegen den Betroffenen ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten festgesetzt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Rechtsbeschwerde für durchgreifend.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Sie führt zu einem zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt:
"Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung nicht.
Die Urteilsgründe müssen so beschaffen sein, dass dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung möglich ist. Die Besonderheit liegt hier einmal darin, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht mittels zugelassener technischer Geräte erfolgte, sondern durch Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug, das weder mit einem geeichten noch justierten Tachometer ausgestattet war.
Erschwerend kommt hier hinzu, dass das Nachfahren zur Nachtzeit überwiegend außerhalb geschlossener Ortschaften erfolgte. In derartigen Fällen ist es erforderlich festzustellen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, also ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und der Abstand so ausreichend erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (OLG Hamm in DAR 2006, 31 f.).
Das Amtsgericht hat dazu festgestellt, dass es dunkel gewesen sei und über die Messtrecke keine Beleuchtungseinrichtungen vorhanden gewesen seien. Die nachfahrenden Polizeibeamten konnten nur die Rücklichter erkennen, nicht jedoch die Umrisse des Fahrzeugs.
Hinsichtlich des Abstandes sei eine Orientierung an den Leitpfählen nach Aussage des Zeugen B. nicht möglich gewesen.
Soweit das Amtsgericht feststellt, dass zu Beginn der Messtrecke der Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem nachfahrenden Polizeifahrzeug 300 Meter betragen habe, ist das Urteil insoweit lückenhaft, weil nicht nachvollziehbar ist, wie das Amtsgericht zu dieser Überzeugung gelangt.
Der Zeuge B. hat dazu angegeben, dass er lediglich im Kreuzungsbereich in Georgsheil, wo der Betroffene Richtung Norden auf die B 72 abgebogen sei, die Umrisse vom Fahrzeug des Betroffenen gesehen habe, weil der Kreuzungsbereich ausgeleuchtet gewesen sei.
Von der Abzweigung bis zum Ortsausgang Georgsheil seien es 300 Meter. Die Messtrecke habe 1 Kilometer nach der Abzweigung begonnen.
Das Urteil enthält weder Feststellungen, wie weit sich das Polizeifahrzeug hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befunden hat, als sich dieses im Licht des Kreuzungsbereiches befunden hat. Auch sagen die Urteilsgründe nichts dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als das Polizeifahrzeug selbst auf die B 72 einbog. Sollte insoweit gemeint sein, dass der Betroffene sich in diesem Augenblick am Ortsausgang Georgsheil befand, hätte es näherer Feststellungen bedurft, an Hand welcher Orientierungspunkte dies trotz der Dunkelheit festgestellt wurde.
Ferner ist im Urteil festgestellt, dass der Betroffene während des Nachfahrens den Abstand zum nachfolgenden Fahrzeug vergrößert hat. Anhand welcher Orientierungspunkte dies festgestellt worden ist, lässt sich dem Urteil ebenfalls nicht entnehmen."
Dem schließt sich der Senat zunächst an. Er bemerkt ergänzend:
Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen spricht sehr viel dafür, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch in Engerhafe in nicht unerheblichem Umfange überschritten hat. Gleichwohl sind die Feststellungen des Amtsgerichts nicht ausreichend. Das OLG Celle (DAR 86, 60 f) hat ausgeführt, dass entscheidend für die Frage der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren sei, dass der Abstand zwischen dem
Vorausfahrenden und nachfahrenden Fahrzeug im Wesentlichen gleich bleibe. Die Beurteilung dieser Frage sei aber bei einem Abstand von 400 m auf einer Messstrecke von nur 500 m nicht möglich, jedenfalls nicht bei Nacht.
Zu Recht we...