Leitsatz (amtlich)
Der Bußgeldtatbestand der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 3 a S. 1, 2 StVO ist wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig, soweit er einen Verstoß gegen das Gebot, ein Kraftfahrzeug mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung auszurüsten, ahndet.
Normenkette
StVO § 2 Abs. 3a; GG Art. 103 Abs. 2, Art. 100; BVerfGG § 80
Verfahrensgang
AG Osnabrück (Entscheidung vom 14.09.2009) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 14.09.2009 im Schuld und Rechtfolgenausspruch teilweise aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 50, € wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit (§ 24 StVG, §§ 3 Abs. 1 S. 1, S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO) festgesetzt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
II. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, jedoch werden die Gerichtsgebühren insoweit um die Hälfte ermäßigt. Die Landeskasse hat dem Betroffenen die Hälfte der notwendigen Auslagen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstanden sind, zu erstatten.
Gründe
I. Gegen den Betroffenen wurde am 16.02.2009 eine Geldbuße von 85 € verhängt. Nach Einspruch des Betroffenen hat ihn das Amtsgericht Osnabrück durch Urteil vom 14.09.2009 zu einer Geldbuße in Höhe von 85, Euro wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit in Tateinheit mit Benutzung einer nicht an die Wetterverhältnisse angepassten und damit ungeeigneten Bereifung verurteilt.
Nach den tatgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 22.11.2008 um 12.10 Uhr in B... den Verkehrsbereich ... mit seinem Pkw Opel, auf dem neue Sommerreifen aufgezogen waren. Dabei überfuhr er eine Eisfläche und schlitterte in das Schaufenster eines gegenüberliegenden Geschäfts. Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, dies sei geschehen, weil der Betroffene zum einen zu schnell gefahren sei und zum anderen, weil er keine für das Wetter angemessene Bereifung aufgezogen habe.
Das Amtsgericht hat die Feststellungen zur Bereifung wie folgt begründet:
‚Fest steht auch aufgrund der Einlassungen, dass es an dem Tag kalt war und sich in der Mitte der Straße eine Eisfläche befand.
Damit hat das Gericht eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellungen der nicht angemessenen Ausrüstung. Insoweit kommt es gemäß § 2 Abs. 3 a S. 1 StVO auch nicht auf die Straßenverhältnisse der konkret befahrenen Straße, sondern auf die Wetterverhältnisse an. Allein der Umstand, dass sich eine Eisfläche auf der Straße befand, lässt hinreichend sicher darauf schließen, dass mit Glatteis zu rechnen war und die Temperaturen unter null Grad Celsius waren.
Insoweit ist es auch unerheblich, ob der Unfall auch mit Winterreifen passiert wäre, bzw. ob sich der Unfall auch mit Winterreifen ereignet hätte. Denn Winterreifen sind die für den Winter geeignete Bereifung. Sie sind auch geeigneter als Sommerreifen. Abzustellen ist auch nicht etwa auf die Frage, ob neue Sommerreifen besser fassen als alte, abgefahrene Winterreifen. Der Betroffene ist hier, wenn auch mit noch gut profilierten Sommerreifen gefahren, die nicht geeignet sind für das Fahren im Winter, wenn Glatteis auf der Straße ist.‚
Der Betroffene hat gegen dieses Urteil mit anwaltlichem Schreiben vom 16.09.2009, eingegangen beim Amtsgericht Osnabrück am 17.09.2009, gemäß §§ 80 Abs. 3 S. 1 i. V. m. 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. §§ 341 Abs. 1, 43 Abs. 1 StPO fristgemäß beantragt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und mit diesem Antrag gemäß § 80 Abs. 3 S. 2 OWiG zugleich vorsorglich die Rechtsbeschwerde eingelegt. Auch die Begründungsschrift zum Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde gemäß §§ 80 Abs. 3 S. 1 i. V. m. 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. §§ 345 Abs. 1 S. 1, 2, 43 Abs. 1 StPO fristgemäß beim Amtsgericht Osnabrück eingereicht, da dem ordnungsgemäß bevollmächtigten Verteidiger des Betroffenen das Urteil am 06.10.2009 zugestellt wurde und die Begründungsschrift am 06.11.2009 per Fax beim Amtsgericht Osnabrück eingegangen war.
Der Betroffene führt zur Begründung der Rechtsbeschwerde aus, es sei entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts anhand der konkreten Umstände zu ermitteln, welche Bereifung im Sinn des § 2 Abs. 3 a StVO tatsächliche die geeignete gewesen sei. Es hätte daher Feststellungen dazu bedurft, ob und inwieweit Winterreifen - ggf. welche? - hier den Unfall hätten verhindern helfen. Es gebe nämlich gerade keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass auch bei winterlichen Straßenverhältnissen Winterreifen stets die bessere Wahl seien. Darüber hinaus ließen sich Situationen denken, bei denen der Unfall sich auch mit Winterreifen ereignet hätte. Das Amtsgericht hätte deshalb nicht aus eigener Sachkunde zu einer Verurteilung kommen dürfen, sondern hätte dem Beweisantritt in der Schutzschrift vom 06.02.2009 - Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es auch mit Winterreifen zu d...