Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Berücksichtigung nachträglich im Beschwerdeverfahren geltend gemachter Kinderbetreuungs- und Fahrtkosten

 

Leitsatz (amtlich)

Angaben des Antragstellers im Verfahrenskostenhilfe- oder Prozesskostenhilfeverfahren zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die erst im Beschwerdeverfahren erfolgen, sind grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn dem Antragsteller die Angaben auch schon in der Vorinstanz möglich gewesen wären.

 

Normenkette

FamFG § 76 Abs. 2; ZPO § 127 Abs. 2, § 571 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Papenburg (Beschluss vom 10.09.2010; Aktenzeichen 1 F 176/10 VKH2)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Papenburg vom 10.9.2010 dahingehend geändert, dass die Antragsgegnerin Raten auf die Verfahrenskosten nur i.H.v. 15 EUR zu zahlen hat.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

Die Antragsgegnerin hat mit der sofortigen Beschwerde unter Vorlage einer aktuellen Gehaltsabrechnung vorgetragen, dass sie ihre Arbeitszeit reduzieren musste und deshalb nur noch über ein geringeres Einkommen verfügt. Ferner hat sie im Beschwerdeverfahren erstmals Kinderbetreuungskosten und Fahrtkosten, die durch wöchentliche Fahrten zur Psychologischen Kinderambulanz in B. entstehen, geltend gemacht und entsprechende Belege vorgelegt.

Dieses Vorbringen ist zu berücksichtigen. Es führt zur Reduzierung der von der Antragsgegnerin auf die Verfahrenskosten zu zahlenden Raten auf 15 EUR. Die Fahrtkosten sind dabei mit 144 EUR monatlich (4 × 240 km × 0,15 EUR) angesetzt worden. Die von der Antragsgegnerin veranschlagte Pauschale von 0,30 EUR erscheint nicht angemessen, weil zusätzlich die Belastungen durch die Pkw-Finanzierung i.H.v. monatlich 150 EUR geltend gemacht werden.

Der Senat folgt nicht der vom Bezirksrevisor bei dem LG Osnabrück in seiner Stellungnahme vom 2.12.2010 vertretenen Auffassung, Unterlagen zur Verfahrenskostenhilfe, die im Beschwerdeverfahren nachgereicht werden, seien grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen, es sei denn es lägen ausreichende Gründe für die Verspätung vor.

Zwar wird dies, wie der Bezirksrevisor zutreffend ausführt, vom LAG Schleswig-Holstein vertreten (Beschl. v. 16.2.2006 - 1 Ta 184/05, juris, Rz. 8 m.w.N.). Es ist aber nicht ersichtlich, worauf diese Rechtsprechung gestützt wird. Denn gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2, § 571 Abs. 2 ZPO kann die sofortige Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Das gilt grundsätzlich auch, soweit diese auf neuem tatsächlichen Vorbringen beruhen, das auch schon in der Vorinstanz möglich gewesen wäre (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 571 Rz. 2 m.w.N.).

Das gilt nicht nur für die - die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung betreffenden - Angaben zur Sache, sondern auch für die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers im Verfahrenskostenhilfe- oder Prozesskostenhilfeverfahren. Die vom LAG Schleswig-Holstein angenommene Präklusion ergibt sich weder aus der Vorschrift des § 117 Abs. 2 ZPO, nach der dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe oder Prozesskostenhilfe eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen sind, noch aus der des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO, nach der das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ablehnt, als der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet. Vielmehr wird sogar angenommen, dass auch nach rechtskräftiger Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe oder Prozesskostenhilfe ein wiederholter Antrag zulässig ist, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder Belege im ersten Verfahren nicht vorgelegt worden sind (Zöller/Geimer, a.a.O., § 117 Rz. 6 m.w.N.).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2593781

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