Leitsatz (amtlich)
Die aus einer in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren angeordneten Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, dürfen nach Einstellung des Strafverfahrens nicht im Rahmen eines Bußgeldverfahrens verwertet werden.
Normenkette
OWiG § 46 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Osnabrück (Entscheidung vom 03.07.2015) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 03.07.2015 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat, verworfen.
Gründe
Der Betroffene ist ehemaliger Polizeibeamter der Polizeiinspektion O....
Durch Bußgeldbescheid der Polizeidirektion O... vom 04.03.2015 war dem Betroffenen vorgeworfen worden, in der Zeit vom 04.06.2011 bis 10.11.2011 in 9 Fällen personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, entgegen § 5 NDSG zu einem anderen als dem jeweils zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck verarbeitet und dadurch Ordnungswidrigkeiten gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 NDSG begangen zu haben. Gegen den Betroffenen sind Geldbußen in Höhe von jeweils 800 bzw. 700 € festgesetzt worden.
Dem Bußgeldverfahren vorausgegangen war ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück u.a. wegen Verdachts der Bestechlichkeit gegen den Betroffenen. Im Rahmen dieses Verfahrens erfolgte eine Überwachung der Telekommunikation des Betroffenen. Das Strafverfahren ist zwischenzeitlich mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Aus dem Inhalt der überwachten Gespräche ergab sich der Verdacht, dass der Betroffene zu verschiedenen Personen in den polizeilichen Auskunftssystemen N... (N...-System) und P... (P...System), Abfragen ohne das Vorliegen dienstlicher Gründe vorgenommen hätte. Die Polizeidirektion nahm dies zum Anlass, durch sogenannte Dialogselektionen die Abfragen in N... und I..., die unter der persönlichen Kennung des Betroffenen getätigt worden waren, zu überprüfen. Nach Auffassung der Polizeidirektion O... ergab die Auswertung der Abfragen, dass in neun Fällen ein dienstlicher Grund hierfür nicht bestanden habe.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen freigesprochen.
Es hat den Beschluss damit begründet, dass im Fall des Verdachts eine Ordnungswidrigkeit eine Überwachung der Telekommunikation schlechthin unzulässig sei. Diese durch den Gesetzgeber getroffene Regelung würde unterlaufen, wenn Erkenntnisse, die im Rahmen eines Strafverfahrens durch Telefonüberwachung gewonnen würden, Grundlage für weitere Ermittlungen zur Erhärtung des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit sein könnten. Da mangels Verwertbarkeit der aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse dem Betroffenen die zur Last gelegten Verstöße nicht nachgewiesen werden könnten, sei er freizusprechen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Rechtsbeschwerde, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist. Die Staatsanwaltschaft rügt, dass das Amtsgericht in die Beweisaufnahme hätte eintreten müssen, da ein Beweisverwertungsverbot nicht bestehe.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es nicht in die Beweisaufnahme eingetreten ist.
Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichtes, dass die aus der Telefonüberwachung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse im hier vorliegenden Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht verwertet werden dürfen.
Über § 46 Abs. 1 OWiG findet zunächst auch § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO Anwendung.
Ist danach eine Maßnahme nach der StPO nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die aufgrund einer solchen Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. Soweit es sich bei den dem Betroffenen vorgeworfenen unzulässigen Datenabfragen aber um dieselbe Tat im prozessualen Sinne, wie sie dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde lag, gehandelt hat, wären die durch die Telefonüberwachung erlangten Erkenntnisse grundsätzlich auch hinsichtlich sonstiger Straftatbestände verwertbar. Dies ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT Drucksache 16/5846, S. 64, 66).
Soweit es sich nicht um dieselbe Tat i.S.d. § 264 StPO handelt, käme zwar nicht die Verwertung zu Beweiszwecken in Betracht, möglicherweise aber die Verwertung als Spurenansatz (vgl. zum Meinungsstand: SK StPO, 4. Aufl. - Weßlau, § 477 RN. 27).
Einer Übertragung auf Ordnungswidrigkeitstatbestände steht dabei auch nicht § 46 Abs. 3 Satz 1 OWiG unmittelbar entgegen. Danach sind im Bußgeldverfahren u.a. Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unte...