Leitsatz (amtlich)
Eine ausdrücklich für das Strafverfahren erteilte und bei den Akten befindliche Vollmacht fingiert nicht ohne weiteres die Zustellungsvollmacht nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG in einem nachfolgenden Bußgeldverfahren.
Der Senat ist der Auffassung. dass nach der Änderung des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG die Vorschrift des § 24 Abs. 3 2. Halbsatz StVG in dessen Licht auszulegen ist, mit der Folge dass auch die Verlängerung der Verjährungsfrist nur dann eintritt, wenn der Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Entscheidung vom 21.04.2008) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 21. April 2008 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der Betroffenen wird vorgeworfen, am 29. März 2007 in Beeskow an der Kreuzung Schützenstraße/Liebknechtstraße mit ihrem Pkw einen Unfall verursacht zu haben, weil sie die Vorfahrt eines von rechts kommenden Fahrzeuges nicht beachtet habe.
Wegen dieses Sachverhaltes wurde gegen die Betroffene zunächst ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt,1/Oder wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung geführt. In diesem meldete sich unter dem 20. April 2007 der Verteidiger der Betroffenen und legte eine auf ihn lautende Vollmacht der Betroffenen vor. Diese Vollmacht lautet. soweit es hier darauf ankommt, wie folgt:
"Vollmacht
Rechtsanwälten W. & P.
wird hiermit in Sachen R., S. wegen fahrlässiger Körperverletzung Vollmacht erteilt
1.
.....
2.
....
3.
zur Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen (§ 302, 374 StPO) einschließlich der Vorverfahren .."'
Der Verteidiger erhielt sodann Akteneinsicht. Mit Verfügung vom 8. Juni 2007 stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder das Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und gab die Sache wegen der verbleibenden Ordnungswidrigkeit an die Bußgeldbehörde ab. Davon informierte die Staatsanwaltschaft den Verteidiger.
Unter dem 27. Juni 2007 erließ die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid wegen Linksabbiegens ohne einen entgegenkommenden Rechtsabbieger durchzulassen, wobei es zu einem Unfall kam, und setzte gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 50.00 EUR fest. Der Bußgeldbescheid wurde dem Verteidiger der Betroffenen am 4. Juli 2007 zugestellt. Dieser legte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2007 namens und in Vollmacht der Betroffenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein.
A m 21. April 2008 hat das Amtsgericht Fürstenwalde die Betroffene wegen eines fahrlässigen Abbiegefehlers mit Unfallverursachung zu einer Geldbuße von 50,00 Euro verurteilt. Dagegen wendet sich die Betroffene mit ihrem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 22. April 2008, den sie mit Schrittsatz ihres Verteidigers vom 22. Mai 2008 begründet hat. Sie beantragt, das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung einzustellen. Sie macht geltend. die Zustellung des Bußgeldbescheides an ihren Verteidiger sei unwirksam. weil sich zu diesem Zeitpunkt eine Vollmacht des Verteidigers nicht bei den Akten befunden habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 hat der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde der Betroffenen zugelassen und die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, die angefochtene Entscheidung zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist zulässig und begründet. Sie kann im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nur auf die Sachrüge gestützt werden (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80, Rn. 16 h). Zwar rügt die Rechtsbeschwerde nicht ausdrücklich die Verletzung materiellen Rechts. In dem Einwand des Eintritts der Verfolgungsverjährung ist aber zugleich die Erhebung der Sachrüge zu sehen (vgl. Göhler, a.a.O., § 79, Rn. 27 c).
Die Rechtsbeschwerde führt zur Einstellung des Verfahrens, weil hinsichtlich der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
1.
Das Amtsgericht nimmt an, dass die im Strafverfahren vorgelegte Vollmacht des Verteidigers auch Auswirkungen für das Bußgeldverfahren entfalte und deshalb die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger wirksam war. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Senats vom 23. Mai 2005 (2 Ss (OWi) 58 B/05), 9. November 2006 (2 Ss (OWi) 196 B/06 und vom 4. Oktober 2007 (2 Ss (OWi) 142 B/07) Bezug nimmt. liegt dies letztlich neben der Sache. Denn diese Entscheidungen befassen sich ausschließlich mit Fragen zu Vollmachten, die in den entsprechenden Bußgeldverfahren erteilt worden waren bzw. damit, ob der Rechtsanwalt als Verteidiger anzusehen war....