Leitsatz (amtlich)
1. In Übergangsfällen i.S.d. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG erhält ein Rechtsanwalt in dem abgetrennten und selbständigen Verfahren über den Versorgungsausgleich gesonderte Gebühren, auf die er sich die bereits im Scheidungsverbund aus dem Wert des Versorgungsausgleichs verdienten und abgerechneten Gebühren nach § 15 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 3 RVG anrechnen lassen muss (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 13.1.2011 - 13 WF 166/10 im Hinblick auf BGH, Beschl. v. 16.2.2011 - XII ZB 261/10).
2. Aufgrund des auch im Verfahren über eine Beschwerde gem. § 56 Abs. 2 RVG geltenden Verschlechterungsverbots hat das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Rechtsanwalts nur zu prüfen, ob die festgesetzte Vergütung zu erhöhen ist. Der Umfang der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn der erstinstanzlichen Vergütungsfestsetzung die irrtümliche Annahme zugrunde lag, der Rechtsanwalt sei beigeordnet worden, es an einer wirksamen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts aber tatsächlich fehlte.
Verfahrensgang
AG Lingen (Beschluss vom 28.01.2011; Aktenzeichen 20 F 1115/09 S) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin werden der Beschluss des AG - Familiengericht - Lingen (Ems) vom 28.1.2011 und die Verfügung des Kostenbeamten dieses Gerichts vom 4.1.2011 geändert:
Auf den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 9.9.2010 wird deren Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin auf 810,99 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Ehe der Beteiligten ist aufgrund des am 8.7.2009 beim AG - Familiengericht - Lingen (Ems) eingegangenen Antrags der Antragstellerin durch Urteil vom 8.4.2010 rechtskräftig geschieden worden. Das Familiengericht hat im Scheidungsurteil die Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Hinblick auf die von beiden Beteiligten erworbenen Anwartschaften aus der K. Zusatzversorgungskasse der D. unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 18.3.2009 (XII ZB 188/05, FamRZ 2009, 954) ausgesetzt. Der Antragstellerin war durch Beschluss vom 22.7.2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin bewilligt worden.
Das Familiengericht hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich auf Antrag der Antragstellerin vom 22.6.2010 wieder aufgenommen. Durch Beschluss vom 12.7.2010 hat das Familiengericht "festgestellt, dass sich die den beiden Beteiligten bewilligte Prozesskostenhilfe auch als Prozesskostenhilfe auf das wieder aufgenommene Verfahren zum Versorgungsausgleich erstreckt." Im Termin vom 26.8.2010 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen. Danach verzichten sie wechselseitig auf Versorgungsausgleich; im Gegenzug stellt die Antragstellerin den Antragsgegner im Hinblick auf Unterhaltsansprüche der gemeinsamen Tochter von jeder Inanspruchnahme frei.
Die Beschwerdeführerin hat am 28.7.2010 die Festsetzung einer Vergütung von 693,18 EUR (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und Auslagenpauschale zzgl. Umsatzsteuer) für das Scheidungsverfahren nach dem vom Familiengericht für das Scheidungsverfahren festgesetzten Gegenstandswert von 6.000 EUR beantragt. Die Festsetzung ist antragsgemäß erfolgt. Mit weiterem Antrag vom 9.9.2010 hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung einer Vergütung von 810,99 EUR (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Einigungsgebühr und Auslagenpauschale zzgl. Umsatzsteuer) für das Versorgungsausgleichsverfahren nach dem vom Familiengericht insoweit festgesetzten Verfahrenswert von 3.000 EUR beantragt. Der Kostenbeamte hat lediglich eine weitere Vergütung i.H.v. 263,58 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Familiengericht zurückgewiesen.
II. Das gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vergütung ist antragsgemäß festzusetzen.
1. Der Senat hat entschieden, dass die anwaltliche Vertretung in einer ausgesetzten und wieder aufgenommenen Folgesache Versorgungsausgleich auch dann keine neue Angelegenheit nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG darstellt, wenn zwei Kalenderjahre seit der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich vergangen sind, und mit dieser Begründung die Festsetzung einer Rechtsanwaltsvergütung für das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgelehnt (Senatsbeschluss vom 13.1.2011 - 13 WF 166/10, juris; s. dazu Maes, jurisPR-FamR 5/2011 Anm. 1). In jenem Fall war bereits die ursprüngliche Vergütungsfestsetzung nach dem vollen Gegenstandswert (Scheidung und Versorgungsausgleich) erfolgt; weitere Gebühren waren im wieder aufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren nicht angefallen.
Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall insoweit, als die ursprüngliche Abrechnung lediglich nach dem für das Scheidungsverfahren festgesetzten Gegenstandswert erfolgt ist. Außerdem ist im wieder aufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren aufgrund des abgeschlossen...