Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Testamentsauslegung ist Sache des Tatrichters. Seine Schlußfolgerungen müssen nur möglich und nicht zwingend sein. Zum Testierwillen nach der Reihenfolge des Todes bei gemeinschaftlichen Testamenten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zum Testierwillen nach der Reihenfolge des Todes bei gemeinschaftlichen Testamenten.

 

Normenkette

FGG Art. 12; FGG § 12

 

Gründe

1. Am 3.3.1997 verstarb die am 2.5.1925 geborene Erblasserin. Ihr am 5.5.1924 geborener Ehemann war bereits am 23.12.1986 verstorben. Der Beteiligte zu 1) ist der gemeinsame Sohn der Eheleute. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Söhne des Ehemannes aus erster Ehe.

Die Eheleute haben am 15.2.1976 gemeinschaftlich ein Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und ferner bestimmt haben:”Nach dem Tode des Längstlebenden von uns sollen unsere Kinder nach den gültigen rechtlichen Bestimmungen erben.” Die Eheleute, die in Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erwarben im Jahre 1974 jeweils zur Hälfte für insgesamt 50.000,– DM ein Einfamlienhaus, das damals und auch in der Folgezeit der wesentliche Teil ihres Vermögens war. Die Beteiligten zu 2) und 3) machten nach dem Tode des Ehemannes Pflichtteilsansprüche geltend und erhielten jeweils 7.352,27 DM.

Das Amtsgericht Jever hat mit Beschluß vom 5.6.1997 angekündigt, einen Erbschein zu erlassen, nach dem die Erblasserin von dem Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hiergegen hat das Landgericht Oldenburg mit Beschluß vom 22.9.1997 zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde erstrebt der Beteiligte zu 2) die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, daß die Beteiligten jeweils Erben zu 1/ 3 sind.

2. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist zulässig (§§ 27, 29 FGG), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Entscheidung hält der vom Gericht der weiteren Beschwerde vorzunehmenden rechtlichen Prüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.

Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Dessen Auslegung bindet das Rechtsbeschwerdegericht solange, als sie nach hinreichender Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 12 FGG), nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Dabei müssen die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein; es genügt, wenn sie nur möglich sind, mag auch eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen haben. Es darf aber durch die Auslegung nicht ein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht irgendwie, sei es auch nur andeutungsweise ausgedrückt ist. In diesem Rahmen können zur Ermittlung des Willens der Erblasserin auch außerhalb des Testaments liegende Umstände herangezogen werden und ggf. zu einem vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Verständnis führen. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist darüberhinaus stets zu prüfen, ob eine nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliche Auslegung auch dem Willen des anderen Ehegatten entspricht (BayOblGZ 1981, 79; BayOblG FamRZ 1996, 1037; Beschluß des Senats vom 15.12.1992 FamRZ 1993, 854).

Ausgehend hiervon muß der weiteren Beschwerde vom Ansatz her beigepflichtet werden, wenn sie geltend macht, aus Wortlaut und Sinnzusammenhang des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.2.1976 lasse sich nicht entnehmen, daß je nachdem, welcher Ehegatte länger lebt, eine – auch wirtschaftlich – andere Zuweisung des dann nach beiden Ehegatten insgesamt verbliebenen Vermögens erfolgen sollte, daß also bei einem Vorversterben des Ehemannes lediglich der Beteiligte zu 1) als Sohn der Erblasserin, bei einem Vorversterben der Erblasserin aber alle drei Beteiligte Erben nach dem jeweils Längstlebenden sein sollten. Auch aus dem Vorbringen der Beteiligten im übrigen, insbesondere aus den von dem Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen, lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen solchen, an die Reihenfolge ihres Todes anknüpfenden, unterschiedlichen Testierwillen der Eheleute herleiten.

Darüberhinaus fehlen aber auch konkrete Anhaltspunkte für die Auffassung des Beteiligten zu 1), die Eheleute, deren Altersunterschied lediglich ein Jahr betrug, hätten bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments entgegen dessen Wortlaut lediglich den Fall des Vorversterbens des Ehemannes in den Blick genommen. Schließlich steht auch die Auffassung, die Beteiligten zu 2) und 3) hätten auf jeden Fall nur ihren Pflichtteil nach dem Ehemann erhalten sollen, ausgehend von dem allgemeinen Sprachverständnis mit Wortlaut sowie Sinnzusammenhang des Testaments nicht im Einklang. Sie findet selbst in den von dem Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen keine zureichende Stütze. Denn darin wird konkret lediglich bestätigt, daß die Erblasserin nach Auszahlung des P...

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