Leitsatz (amtlich)
Auch bei einer Trennungszeit von 16 Jahren kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände nicht grob unbillig sein.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Nordhorn (Aktenzeichen 11 F 384/22 S) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zurückzuweisen und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme, für den Antragsgegner ggf. auch zur Rücknahme des Rechtsmittels aus Kostengründen binnen 3 Wochen.
Gründe
I. Gegenstand der Beschwerde ist die Entscheidung des Amtsgerichts über den Versorgungsausgleich.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nordhorn hat die am 22.08.1980 geschlossene Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 (im Folgenden auch nach Scheidung noch als Ehemann bzw. Ehefrau bezeichnet) durch Beschluss vom 10.04.2024 im Verbundverfahren geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Scheidungsantrag ist dem Ehemann am 29.06.2022 zugestellt worden. Die Ehefrau ist Ende 2006 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen. Der am TT.MM.1949 geborene Ehemann bezieht seit dem 01.08.2014 eine Vollrente wegen Alters. Die am TT.MM.1958 geborene Ehefrau bezieht seit dem 01.01.2017 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer.
Das Amtsgericht hat den Antrag des Ehemanns, den Versorgungsausgleich gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen, zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 10.04.2024 Bezug genommen.
Mit der Beschwerde greift der Ehemann die Durchführung des Versorgungsausgleichs bezüglich der betroffenen Rechte für die Zeit ab dem 01.01.2000 bis 31.05.2022 an.
II. Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Entscheidung des Amtsgerichts, den Versorgungsausgleich nicht wegen grober Unbilligkeit im Sinne von § 27 VersAusglG auszuschließen, ist auch soweit sich das Rechtsmittel auf den Zeitraum ab 01.01.2000 beschränkt zutreffend.
Der Versorgungsausgleich findet gemäß § 27 VersAusglG ausnahmsweise nicht statt, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
Der Ausnahmecharakter des § 27 ist bei der Auslegung der groben Unbilligkeit zu beachten. Die Herabsetzung oder ein Ausschluss sind nur in seltenen Fallgestaltungen gegeben. Ein Wegfall oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleiches kommt nur bei besonders groben Verstößen in Betracht. Die Durchführung des Versorgungsausgleiches muss sich für die Anwendung des § 27 als sinnwidrig darstellen. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 2. Aufl., § 27 Rn. 18).
Dabei sind in erster Linie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehepartner während der Ehe und im Zusammenhang mit der Scheidung zu berücksichtigen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verhältnisse dürfen Umstände nicht allein deshalb zur Begründung herangezogen werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben (Bergmann in BeckOK BGB, § 27 VersAusglG Rn. 2).
Bei der danach gebotenen Gesamtbetrachtung ist eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs im Sinne der Beschwerde nicht geboten.
Das Amtsgericht ist bei der erforderlichen Abwägung zunächst in tatsächlicher Hinsicht zurecht von einer Trennungszeit von rund 16 Jahren (nämlich von Ende 2006 bis zur Zustellung des Scheidungsantrags im Juni 2022) in der Ehezeit von 42 Jahren (von der Heirat 1980 bis Juni 2022) ausgegangen. Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, die Zeit des Getrenntlebens habe ab dem Jahr 2000 begonnen, ist dem nicht zu folgen. Eine Trennung im Sinne des Gesetzes lässt sich auch dem Vorbringen des Ehemanns nicht entnehmen. Seine Behauptung, die Ehefrau habe von der Familie nichts wissen wollen, die Wäsche und den Haushalt hätten bereits die Kinder und die Großeltern erledigt und die Eheleute hätten sich - auf dem weiterhin gemeinsam bewohnten - Hof nach Möglichkeit gemieden und seien sich soweit möglich aus dem Weg gegangen, begründet eine solche Annahme nicht. Ein Getrenntleben im Rechtssinn lag bei den geschilderten Umständen nicht vor. Es mag keine oder geringe eheliche Gemeinsamkeiten gegeben haben. Eine in diesem Sinn schlechte Ehe ist jedoch noch nicht mit einer ehelichen Trennung gleichzusetzen. Dass eine Trennung im Hinblick auf eine beabsichtige Ehescheidung vorgenommen wurde, ist aber nicht ersichtlich. Erst mit dem Auszug der Ehefrau wurde auch nach außen objektiviert, dass zumindest ein Ehepartner die eheliche Gemeinschaft auf Dauer aufheben wollte. Bis dahin sind weder vom Ehemann noch von der Ehefrau Anstalten gemacht worden, die...