Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls ein anwaltlich nicht vertretener Antragsgegner handelt nicht mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn er relevante Einwendungen erst mit der Klageerwiderung und nicht schon im Rahmen der Anhörung zu dem gegnerischen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorbringt.
Verfahrensgang
AG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 5 F 1369/08 UE UK) |
Tenor
I. Das Verfahren wird gem. § 568 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des AG Oldenburg vom 28.1.2009 geändert:
Dem Beklagten wird unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit die Klägerin Trennungsunterhalt und für Dezember 2008 einen 245 EUR, ab 1.1.2009 einen 240 EUR übersteigenden Kindesunterhalt geltend macht. Ihm wird Rechtsanwältin K. in O. zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.
Gleichzeitig wird ihm aufgegeben, 30 EUR monatlich, beginnend am 3.4.2009, zu zahlen, solange das Gericht nichts anderes bestimmt. Die Folgeraten sind jeweils bis zum 3. eines jeden Monats zu zahlen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ehegatten- und Kindesunterhalt in Anspruch. Ihr Prozesskostenhilfegesuch wurde dem Beklagten am 17.11.2008 zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übersandt. Nachdem bis zum 10.12.2008 kein Eingang zu verzeichnen war, bewilligte das FamG der Klägerin für den angekündigten Antrag Prozesskostenhilfe. Auf die anschließend zugestellte Klage erwiderte der nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte, dass er aufgrund der Steuerklassenänderung nicht über das in der Klage angegebene Einkommen von um Fahrtkosten bereinigt 1695 EUR, sondern lediglich 1380 EUR verfüge. Hiervon verbleibe ihm aufgrund von Schuldtilgungen kein seinen Selbstbehalt übersteigender Betrag.
Das FamG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung als mutwillig abgelehnt, weil der Beklagte im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht Stellung genommen habe.
II. Die nach §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des FamG ist die gewählte Form der Rechtsverfolgung nicht mutwillig. Mutwillig handelt eine Partei nur dann, wenn sie bei der prozessualen Verfolgung ihrer Rechte einen Weg einschlägt, den eine Partei, welche selbst für die Kosten aufkommen müsste, nicht wählen würde (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rz. 30). Dies wird teilweise auch dann angenommen, wenn sie auf einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst nicht reagiert und relevante Einwendungen erst nach Klagezustellung vorbringt. Eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Partei nehme die Gelegenheit wahr, unbegründeten Ansprüchen durch ihre Sachdarstellung schon im Vorfeld entgegen zu treten (OLG Brandenburg FamRZ 2006, 349 und FamRZ 2008, 70 sowie OLG Oldenburg, FamRZ 2002, 1712 jeweils für eine anwaltlich vertretene Partei; OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1017 für eine nicht anwaltlich vertretene Partei; MünchKomm/Motzer, 3. Aufl. 2008, § 114 ZPO Rz. 93; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 114 Rz. 36).
Nach anderer Ansicht scheidet die Wertung als mutwillig im Regelfall aus. Der Gegner eines Prozesses sei nicht verpflichtet, im Prozesskostenhilfeverfahren überhaupt eine Stellungnahme abzugeben. Unterlasse er eine Erwiderung, könne ihm dies nicht zum Nachteil gereichen (OLG Hamm, FamRZ 2008, 1264; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1132; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 2005, 808 und 2006, 501; Musielak/Fischer, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 118 Rz. 2 a.E.; Benkelberg, FamRZ 2006, 869; einschränkend auch Fischer, MDR 2006, 661 ff.; Gottwald, FamRZ 2008, 71; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rz. 34a).
Nach beiden Meinungen muss Prozesskostenhilfe jedenfalls insoweit bewilligt werden, als Einwendungen von Amts wegen zu berücksichtigen waren. Hier hätte das FamG den bevorstehenden Steuerklassenwechsel des Beklagten bereits bei der Entscheidung über das Gesuch der Klägerin berücksichtigen müssen. Dass dies unterblieben ist, kann sich nicht zu Lasten des Beklagten auswirken.
Im Hinblick auf die weiteren Einwendungen folgt der Senat jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall eines anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegners der zweiten Auffassung. Dafür spricht zunächst, dass dem in diesem Stadium noch nicht am Verfahren beteiligten Antragsgegner rechtliches Gehör zur Wahrung seiner in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Rechte gewährt wird (BVerfG, BVerfGE 20, 280 (282)), nicht aber, um ihm später seinerseits Rechte abzuschneiden. Auf eine derart einschneidende Rechtsfolge wird der Antragsgegner bei der formlosen Anhörung - der gesetzlichen Regelung des § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechend - regelmäßig nicht hingewiesen. Im vorliegenden Fall enthielt das Anschreiben an den Beklagten den üblichen Textbaustein, das Gesuch werde "mit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens" übersandt. Weiter heißt es: "Nach Fristablauf ...