Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der Entbehrlichkeit in Nr. 1003 Abs. 2 2. Halbsatz VV-RVG ist wegen der zwingenden Vorgabe aus § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG dahingehend auszulegen, dass durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung zwar nicht über die Kosten, aber doch in der Sache selbst entbehrlich wird.

 

Verfahrensgang

AG Cloppenburg (Beschluss vom 03.09.2015; Aktenzeichen 11 F 68/15 VKH1)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluss des Familienrichters des AG - Familiengericht - Cloppenburg vom 03.9.2015 geändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Amts-gerichts - Familiengericht - Cloppenburg vom 27.7.2015 dahingehend geändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 646,65 Euro weitere 239,19 Euro, damit insgesamt 885,84 Euro als Vergütung gegen die Landeskasse festgesetzt werden.

2. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

In dem zugrunde liegenden Verfahren hat der Vater mit Schriftsatz vom 21.1.2015 einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts gemäß § 1671 BGB gestellt. Mit Beschluss vom 27.2.2015 ist ihm unter Beiordnung der Beschwerdeführerin Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden. In der nicht öffentlichen Sitzung vom 08.4.2015 haben die Beteiligten folgendes zur Protokoll erklärt:

"Die Beteiligten erklärten übereinstimmend, dass eine Einigung dahingehend erzielt worden ist, dass die Kinder im Haushalt des Vaters verbleiben.

Die Mutter wird dem Vater eine umfassende Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten des täglichen Lebens erteilen. Im Übrigen sind sich die Beteiligten weiter dahingehend einig, dass es zukünftig ebenfalls bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt. Weiter sind sich die Beteiligten dahingehend einig, dass die Kindesmutter ein Umgangsrecht hinsichtlich der Kinder hat. Einzelheiten müssen zwischen den Beteiligten direkt besprochen werden."

Nach einer Stellungnahme durch das Jugendamt und Anhörung der Kinder haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten das Sorgerechtsverfahren einver-nehmlich für erledigt erklärt.

Das AG hat sodann durch Beschluss die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und den Verfahrenswert auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Unter dem 23.4.2015 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin gestellt. Darin hat sie neben einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV-RVG, einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG und der Pauschalgebühr gemäß Nr. 7002 VV-RVG eine Einigungsgebühr gemäß Nrn. 1003, 1000 VV-RVG geltend gemacht. Das Amts-gericht - Familiengericht - ist diesem Antrag nach Anhörung der Beschwerde-führerin und der Landeskasse durch die zuständige Rechtspflegerin nicht in vollem Umfang nachgekommen und hat unter dem 27.7.2015 die der Beschwerde-führerin zustehende Vergütung u.a. unter Absetzung der Einigungsgebühr auf 646,65 Euro festgesetzt. Der hiergegen gerichteten Erinnerung der Beschwerde-führerin hat die Rechtspflegerin des AG nicht abgeholfen und diese dem funktionell zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt. Mit hiermit vollinhaltlich in Bezug genommenem Beschluss vom 03.9.2015 hat das AG - Familiengericht - durch diesen die Erinnerung zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde vom 29.9.2015 hat es nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG dient unter anderem der Entlastung des Gerichts und der Sicherung des Rechtsfriedens (siehe nur OLG Hamm, Beschluss vom 27.2.2015 - 6 WF 10/15 -, juris unter Hinweis auf Gerold/

Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 21. Auflage 2013, Nr. 1000 VV Rdnr. 152; OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 1939-1940).

Zwar stellt eine übereinstimmende Erledigungserklärung als solche noch keine Einigung i.S.v. Nr. 1000 VV-RVG dar (siehe nur Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, VV 1000 Rdnr. 27 m.w.N.). Gleichwohl war Grundlage der von den Eltern in der nicht öffentlichen Sitzung vom 08.4.2015 abgegebenen über-einstimmenden Erledigungserklärung die außergerichtliche Einigung, dass es in Zukunft bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.

In Kindschaftssachen entsteht die Gebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV-RVG nach Nr. 1003 Abs. 2 2. Alt. auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gericht-liche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt. Dementsprechend steht einer Einigungsgebühr nicht entgegen, dass über die elterliche Sorge nicht verfügt werden kann (vgl. OLG Köln AGS 2012, 62-64 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1982, 156 = NJW 1982, 2505). Ma...

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