Leitsatz (amtlich)

Der Anschluß einer Wohnanlage an das Kabelfernsehen bedarf als bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums hinausgehht, grundsätzlich der Zustimmung aller Wohungseigentümer (vgl. OLG Celle WuM 1986, 224 f.).

 

Normenkette

WEG § 22

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Entscheidung vom 16.08.1988; Aktenzeichen 12 T 45/87)

AG Osnabrück (Aktenzeichen 43 - 32 II 42/86)

 

Gründe

Die beschlossene und zwischenzeitlich auch durchgeführte Umrüstung der mit einer Gemeinschaftsantenne versehenen Wohnanlage auf einen Anschluß an das Breitbandkabelnetz der Bundespost stellt eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht und grundsätzlich der Einstimmigkeit bedarf. Als bauliche Veränderung i.S. dieser Bestimmung ist eine Umgestaltung der Wohnanlage, mithin eine teilweise, beseitigende oder neuschaffende gegenständliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums anzusehen (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 22 Rn. 2 m.w.N.). Die Ersetzung einer funktionstüchtigen Gemeinschaftsantenne durch einen Kabelanschluß unterliegt hiernach bereits deshalb dem Regelungsbereich des § 22 WEG, weil sie diesen Eingriff in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums durch Erstellung eines Übergabepunktes zwischen der hausinternen Kabelleitung und dem Postnetz, durch Trennung der Gemeinschaftsantenne von der vorhandenen Hausleitung und durch weitere Installationsarbeiten erfordert. Entscheidend kommt hinzu, daß durch den Kabelanschluß ein wesentlicher Teil des Kontaktes der Wohnanlage nach außen auch inhaltlich umgestaltet wird, da sich Anzahl und Qualität der zu empfangenden Rundfunk- und Fernsehprogramme verändern (vgl. OLG Celle WM 1986, 224f.).

Diese bauliche Veränderung ist nicht mehr als ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums anzusehen, da nicht nur der bisherige Zustand erhalten bzw. wiederhergestellt, sondern eine grundsätzliche Neuerung vorgenommen wird. Modernisierungsmaßnahmen können aber in der Regel nur dann mehrheitlich beschlossen werden, wenn sie sich als sinnvolle Maßnahme aufgrund der technischen Veränderungen geradezu aufdrängen (Palandt/Bassenge, 47. Aufl., § 22 WEG Anm. 1e; vgl. auch OLG Celle a.a.O.). Anderes muß jedoch dann gelten, wenn die Modernisierung vor allem dazu dient, den Komfortstandard einer Wohnung zu erhöhen, etwa um die Vermietbarkeit und die Rentabilität zu erhalten oder zu verbessern (OLG Celle a.a.O.; KG NJW 1985, 2031 (= WM 1985, 248) zu § 541b BGB). Der Anschluß an das Kabelfernsehnetz stellt nach Auffassung des Senats eine derartige Verbesserung des Wohnwertes dar, die jedenfalls zur Zeit über den allgemein üblichen Wohnkomfort hinausgeht und mithin nicht mehr als Instandsetzungsmaßnahme bzw. Instandhaltungsmaßnahme bewertet werden kann (so auch OLG Celle a.a.O.; LG Nürnberg DWW 1988, 353; Weitnauer, WEG, 7. Aufl. 1988, § 22 Rn. 2d m.w.N.).

Auch der Zustand der vorhandenen Gemeinschaftsantennenanlage rechtfertigt es nicht, die angegriffene Entscheidung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung zu qualifizieren, die einem Mehrheitsbeschluß zugänglich ist. Das LG hat insoweit festgestellt, daß die vorhandene Antennenanlage grundsätzlich funktionstüchtig war und daß lediglich im Außenbereich witterungsbedingte Schäden aufgetreten waren, die mit einem verhältnismäßig geringfügigen Kostenaufwand von allenfalls 400,– DM hätten behoben werden können. Bei einem derartig geringen Beschädigungsgrad, der noch zu keiner Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Anlage geführt hat, besteht kein Anlaß, die vorhandene Antenne durch einen Breitbandkabelanschluß zu ersetzen. Die beschlossene Maßnahme ging daher über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums hinaus.

Der angefochtene Beschluß v. 2.7.1986 hätte daher nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nur einstimmig getroffen werden dürfen. Von dem Einstimmigkeitserfordernis kann nach den vom LG getroffenen Feststellungen auch nicht gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit 14 WEG ausnahmsweise abgesehen werden. Danach ist die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu solchen Maßnahmen entbehrlich, durch welche ihm keine Nachteile entstehen, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen. Ein Nachteil i.S. dieser Ausnahmeregelung kann auch in einer Kostenbelastung liegen, also insbesondere dann gegeben sein, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 3 WEG auch die Wohnungseigentümer, die einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt haben, finanziell belastet werden (OLG Celle a.a.O.; LG Nürnberg a.a.O; Weitnauer a.a.O. § 22 Rn. 2; Horst Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 1986, Rn. 578). In diesem Fall ist wegen der Abbedingung des § 16 Abs. 3 WEG für die Anwendung der Ausnahmeregelung kein Raum (vgl. MünchKomm./Röll, 2. Aufl.,...

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