Leitsatz (amtlich)

1. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor ES3.0 erfüllt die Anforderungen an ein sog. standardisiertes Messverfahren. Der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu, mit dem die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Messgeräts verbindlich festgestellt ist.

2. Eine nähere tatrichterliche Überprüfung des Messwertes durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann erforderlich, wenn im Einzelfall konkrete Zweifel an der Funktionstüchtigkeit oder sachgerechten Handhabung des Messgeräts und deshalb an der Richtigkeit des Messergebnisses bestehen.

3. Die Entscheidung des Amtsgerichts Meißen vom 29.05.2015 (Az. 13 OWi 703 Js 21114/14) begründet für das Tatgericht keinen Anlass, das Geschwindigkeitsmessgerät ES3.0 sachverständig untersuchen zu lassen.

 

Verfahrensgang

AG Westerstede (Entscheidung vom 26.11.2015)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 26.11.2015 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu einer Geldbuße von 175,- € verurteilt und daneben ein einmonatiges Fahrverbot gegen ihn verhängt.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den gestellten Beweisantrag auf Überprüfung der Messdatei des Betroffenen durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens abgelehnt. Die Messung sei mit dem Messgerät ............. erfolgt. Zur abschließenden Überprüfung der Messung sei die gutachterliche Überprüfung der Messdatei zwingend erforderlich. Darüber hinaus bestünden aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgericht Meißen vom 29.05.2015 (Az. 13 OWi 703 Js 21114/14) konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung. Es sei zweifelhaft, ob in Bezug auf das Messgerät ............ überhaupt ein standardisiertes Messverfahren vorliege. Daneben rügt er die Verletzung sachlichen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet beantragt.

Die Einzelrichterin des Senats hat die Sache durch Beschluss vom 22.03.2016 gem. § 80 a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die gemäß § 79 Absatz 1 Satz 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Denn das Amtsgericht war nicht gehalten, im Wege der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zu überprüfen, ob der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Vielmehr durfte es - nachdem es sich von der ordnungsgemäßen Aufstellung und Bedienung des Geräts überzeugt hatte - mangels konkreter Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.

1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem hier eingesetzten Einseitensensor .......... handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren. Standardisiert ist ein durch Regelungen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (grundlegend BGH, Beschl. v. 19.08.1992, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291ff.).

Diese Voraussetzungen erfüllt grundsätzlich auch die Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ..........., wenn sie von geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) durchgeführt wird (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2009, 1 SsRs 71/09, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2012, III-3 RBs 178/12, juris).

Der Bauartzulassung des Geschwindigkeitsmessgerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu. Die Zulassungsprüfung stellt ein von Gesetzes wegen angeordnetes Behördengutachten dar (§§ 13, 25 EichG i.V.m. §§ 16, 36 ff EO-AV). Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.10.2015, 2 Ss OWi 641/15, juris).

Die Anerkennung von standardisierten Messverfahren dient dabei insbesondere dem Zweck, das Bußgeldverfahren im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens zu...

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