Leitsatz (amtlich)
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle einer Anfechtung nach §§ 130 ff. InsO.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 29.09.2010; Aktenzeichen 6 O 1763/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers (Klägers) vom 11.10./12.10. 2010 wird der (die Prozesskostenhilfe zurückweisende) Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 29.9.2010 geändert:
Dem Antragsteller wird für die Prozessführung in I. Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt, wobei ihm aus der Staatskasse eine Vergütung zugebilligt wird, als wenn er als Rechtsanwalt im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren beigeordnet worden wäre.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO).
Sie ist auch sachlich gerechtfertigt. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung gem. § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint auch nicht mutwillig.
Die Entscheidung des LG, die nach dem Inhalt der Begründung mit der Rechtsprechung des BGH nicht in Einklang steht, kann - insbesondere mit der gegebenen Begründung - nicht aufrechterhalten werden.
Gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO enthält der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden kann und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Weiter ist erforderlich, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 ZPO).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Insolvenzverwalter sei der zentrale Profiteur des beabsichtigten Klageverfahrens, weshalb ihm zuzumuten sei, die Kosten des Verfahrens vorzustrecken.
Es ist allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter eine im öffentlichen Inte - resse liegende Aufgabe, nämlich die Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens, wahrnimmt und jede seinen Gebührenanspruch einschränkende Norm an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist. Diese öffentliche Aufgabe ist selbst dann anzuerkennen, wenn durch die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Vermögenswerte zur Masse gezogen werden sollen, die unmittelbar den Insolvenzgläubigern zugute kommen, sondern wenn der Insolvenzverwalter dadurch erst in die Lage versetzt werden soll, das Verfahren durchzuführen, was sich mittelbar zugunsten der Insolvenzgläubiger auswirken kann. Zudem handelt es sich um eine Einschränkung in dem beschriebenen Sinne, wenn § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO so zu verstehen wäre, dass der Verwalter die Masse betreffende Prozesse auf eigenes Kostenrisiko zu führen hätte (vgl. BGH NJW-RR 2004, 136, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 460/02 in juris Rz. 3 und 4 mit zahlreichen Nachweisen; OLG Hamm, Beschl. v. 2.12.2005 - 8 W 47/05, in juris Rz. 9).
Mit dem Amt des Insolvenzverwalters betraut der Staat freiberuflich tätige Personen, die es nicht kündigen können, die ein erhebliches Haftungsrisiko eingehen und darauf angewiesen sind, die Vergütung für ihre Tätigkeit aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. Mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist es nicht vereinbar, einen Staatsbürger beruflich in erheblichem Maße zu öffentlichen Aufgaben zu verpflichten, ohne ihm ein angemessenes Honorar zu gewähren. Ebenso wenig ist es dem Insolvenzverwalter zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, wenn der Prozesserfolg hauptsächlich ihm selbst für seine Vergütung zugute kommen soll (vgl. Zöller -Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 116 Rz. 10a m.w.N.).
Mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 ff. InsO nimmt der Insolvenzverwalter eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr (vgl. § 129 Abs. 1 InsO). Selbst wenn der aus der Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 53 InsO) und der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger führt, besteht das Amts des Insolvenzverwalters mit den daraus folgenden Pflichten fort, solange die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, § 208 Abs. 3 InsO (vgl. BGH, a.a.O., in juris Rz. 4; BGH NJW-RR 2009, 1305, Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08, in juris Rz. 5). Der Insolvenzverwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO); dazu gehört es, die Anfechtungsansprüche durchzusetzen.
Der Insolvenzverwalter hat die vorhandene Insolvenzmasse mit aktuell 879,27 EUR beziffert, die Masseverbindlichkeiten - inclusive seiner Vergütung - mit etwa 4.754,62 EUR, wovon etwa 500 EUR auf die Gerichtskosten des Insolvenzgerichts entfallen. Der Insolvenzverwalter hat unwidersprochen und nicht widerlegt darge...