Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschwindigkeit. Stoppuhr
Leitsatz (amtlich)
Zur Geschwindigkeitsmessung aus nachfahrendem Fahrzeug mittels Stoppuhr.
Normenkette
StVO §§ 3, 49 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Delmenhorst (Entscheidung vom 13.07.2022) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 13.07.2022 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 400 € und einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene seiner gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 OWiG statthaften und zulässig begründeten Rechtsbeschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Geschwindigkeitsmessung ist festgestellt worden mittels einer Stoppuhrmessung aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug. Tatzeit war gegen 1:15 Uhr am TT.MM.2021.
Die bisher getroffenen Feststellungen sind für die erfolgte Verurteilung unzureichend.
Soweit ersichtlich, gibt es lediglich eine obergerichtliche Entscheidung zu einer Geschwindigkeitsmessung anhand Fahrbahnkilometrierungen mittels geeichter Stoppuhr.
Das OLG Stuttgart (VRS 85. Band, 366 ff) hat hierzu ausgeführt, dass gegen das genannte Verfahren zur Ermittlung einer Geschwindigkeitsüberschreitung jedenfalls dann grundsätzliche Bedenken bestünden, wenn die Weg- und Zeitmessung von nur einem Beamten aus einem nachfahrenden Fahrzeug erfolge und der Sicherheitsabzug von der ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer Messstrecke von 500 m nicht mindestens 10 % betrage.
Für die Zuverlässigkeit der Weg-Zeit-Messung sei zunächst wesentlich, dass am Beginn und am Ende der Messung eindeutiger Sichtkontakt der Polizeibeamten zum überwachten Fahrzeug und den die Messstrecke festlegenden Autobahnkilometrierungen bestehe.
Hierzu fehlen dem angefochtenen Urteil jedoch die entsprechenden Feststellungen. Weder enthält es Ausführungen zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der nächtlichen Autobahn, noch zum Abstand des Polizeifahrzeugs zum Fahrzeug des Betroffenen. Darüber hinaus fehlen Angaben dazu, wo die Kilometrierungsschilder angebracht gewesen sind und wie sie beschaffen waren.
Bei einem Verfolgungsabstand von (nur) 50-80 m, der der Entscheidung des OLG Stuttgart zugrunde lag, hat das OLG bereits erhebliche Schwierigkeiten der nachfahrenden Beamten gesehen, die Punkte zu bestimmen, an denen das Fahrzeug des Betroffenen den Anfang und das Ende der Messstrecke tatsächlich passierte. Das OLG Stuttgart hat deshalb in dem von ihm zu entscheidenden Fall bereits wegen dieser optischen Fehlermöglichkeit einen Sicherheitsabschlag von mindestens 4 % für erforderlich gehalten. Hinzu kommen die vom OLG Stuttgart vorgenommenen weiteren Toleranzabzüge in Bezug auf die Vermessung der Autobahnkilometrierungen, der Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und dem Stoppen der Zeit von Hand.
Anhand der Urteilsgründe kann der Senat aber nicht überprüfen, ob das Amtsgericht bereits die optische Fehlermöglichkeit ausreichend berücksichtigt hat, da die hierzu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind.
In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf seine Anforderungen an die Feststellungen bei einer nächtlichen Nachfahrmessung (die hier zwar nicht vorliegt), die im Rahmen der Frage der Erkennbarkeit des verfolgten Fahrzeuges aber auch hier relevant sind:
Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem voraus fahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleich bleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (OLG Hamm DAR 2006, 31; vgl. Senat Beschluss vom 8. November 2012, 2 Ss Bs 253/12)
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Bei einem Verfolgungsabstand von nur ca. 100 m und der Orientierung an den Leitpfosten sowie den Rücklichtern des gemessenen Fahrzeugs soll auch auf einer unbeleuchteten Straße eine zuverlässige Schätzung eines gleich bleibenden Abstandes durch geübte Polizeibeamte möglich sein (OLG Hamm VRS 113. Band, 112 ff;. OLG Celle NZV 2004, 419 f. [OLG Celle 16.03.2004 - 211 Ss 34/04 (Owi)]; vgl. auch Thüringer OLG VRS 111. Band, 195 ff., wobei es sich dort um eine innerstädtische Straße handelte). Demgege...